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Botanik

Pflanzen: Teamwork macht fruchtbar

Meilenstein für das Verständnis der Entstehung der Pflanzenarten aufgespürt

Biologen vermuteten seit längerem, dass bei Blütenpflanzen zwei Zellen des weiblichen Geschlechtsapparates beim Befruchtungsvorgang eine zentrale Funktion zukommt. Ein Forscherteam aus der Schweiz hat nun erstmals nachgewiesen, dass die beiden Zellen tatsächlich den Befruchtungsprozess effektiv steuern und auch bei der Entstehung der Pflanzenarten eine Schlüsselrolle spielten.

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Wie eigentlich kommt ein Spermium zur Eizelle? Bei Säugetieren bewegen sich die männlichen Geschlechtszellen selbst fort: Sie schwimmen, sobald sie den männlichen Körper verlassen haben, aktiv auf die zu befruchtende Eizelle zu. Ganz anders bei Blütenpflanzen: Ihre Spermien sind unbeweglich. Damit weibliche und männliche Geschlechtszellen miteinander verschmelzen können, brauchen die Spermien ein Transportmedium – den Pollen. Dieser keimt und bildet den Pollenschlauch aus. Sobald der Pollenschlauch den Embryosack mit der Eizelle erreicht hat, bricht er auf und setzt die beiden Spermien frei.

Anders bei der Feronia-Mutante der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, welche den Pflanzenbiologen als Modellpflanze dient. Auch bei der Feronia-Mutante dringt der Pollenschlauch in den Embryosack vor. Die Spermien aber werden nicht freigesetzt: Die Befruchtung unterbleibt. Dieses seltsame Phänomen brachte die Forschergruppe von Ueli Grossniklaus, Professor für Pflanzenentwicklungsgenetik an der Universität Zürich, auf die heiße Spur: Die bahnbrechenden Resultate der rund zehnjährigen Forschungsarbeiten sind jetzt im Wissenschaftsjournal „Science“ publiziert worden.

Kommunikation zwischen Schloss und Schlüssel

Für das richtige Verhalten des Pollenschlauchs – Andocken am Embryosack und Freisetzen der Spermien – sind, so die neuen Erkenntnisse, zwei Zellen des weiblichen Geschlechtapparates verantwortlich. Diese beiden Zellen werden als Synergid-Zellen bezeichnet. „Die beiden Synergid-Zellen funktionieren ähnlich wie ein Türschloss“, fasst Juan Miguel Escobar die Resultate der Studie zusammen. „Schloss und Schlüssel müssen zusammenpassen, damit das Tor sich öffnet.“ Die Synergid-Zellen kommunizieren mittels Enzymen, so genannten Kinasen, mit dem Pollenschlauch.

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Im Fall der Mutante Feronia ist das Feronia-Gen in den Synergid-Zellen defekt: Die Synergid-Zellen erkennen den Pollenschlauch nicht und kommunizieren folglich nicht mit ihm. Der Pollenschlauch wächst im Embryosack weiter, ohne zu erkennen, dass er am Ziel angelangt ist. Folge davon: Die Spermien werden nicht freigesetzt, die Eizellen nicht befruchtet. „Wenn das Schloss kaputt ist, hilft auch der richtige Schlüssel nicht weiter“, bringt Escobar den Sachverhalt auf den Punkt.

Das gleiche Phänomen konnten die Forscher auch beobachten, wenn sie die Ackerschmalwand mit artfremdem Pollen von Arabidopsis lyrata beziehungsweise Cardamine flexuosa bestäubten: Auch hier wächst der Pollenschlauch im Embryosack weiter, die Freisetzung des Pollens unterbleibt. Um bei Escobars Bild von Schloss und Schlüssel zu bleiben: Nur der passende Schlüssel vermag das Schloss zu öffnen und den Kommunikationsprozess zwischen weiblichen und männlichen Zellen zu starten. Unterbleibt die Kommunikation, verläuft der Befruchtungsversuch ergebnislos.

Fehlende Kommunikation verantwortlich für Entstehung der Artengrenze

Mit diesem Schloss-und-Schlüssel-Prinzip schützen sich Blütenpflanzen vor der Befruchtung mit artfremdem Pollen. Die fehlende Kommunikation von weiblichen und männlichen Zellen spielt für die Entstehung der Artengrenze die zentrale Rolle, so die wichtigste Erkenntnis von Escobar.

Die Grenze zwischen nahe verwandten Arten kann dereinst vielleicht überwunden werden. Dazu müsste der Kommunikationsprozess so verändert werden, dass Schloss und Schlüssel erneut zusammenpassen und miteinander kommunizieren können, vermutet der junge Forscher.

Schlüssel gesucht

In einem nächsten Schritt gilt es zuerst den männlichen Kommunikationspartner der Synergid-Zellen zu identifizieren. Dazu Escobar: „Wir kennen das Schloss. Wir wissen, dass es einen Schlüssel geben muss. Aber wir wissen noch nicht, wie der Schlüssel aussieht.“ Zukünftige Forschungsarbeiten sollen zudem auch aufzeigen, wie der Informationsaustausch zwischen Schloss und Schlüssel genau erfolgt.

(idw – Universität Zürich, 06.08.2007 – DLO)

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