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Genetik

Gendefekt kappt Nachschub für Sehzellen

Forscherteam erhellt Ursachen erblicher Blindheit

Wer unter einer erblichen Netzhauterkrankung leidet, sieht früher oder später immer schlechter oder wird sogar vollständig blind. Doch jetzt gibt es neue Hoffnung für Betroffene, denn Wissenschaftler sind auf dem Weg zu einem besseren Verständnis der Krankheitsursachen einen entscheidenden Schritt weitergekommen: Sie identifizierten ein Gen für die erbliche Netzhauterkrankung Lebersche kongenitale Amaurose (LCA) und fanden erste Anhaltspunkte für dessen Funktion.

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Dies eröffnet neue Chancen für eine Gentherapie, die gerade bei LCA als viel versprechend betrachtet wird, da die Krankheit durch eine einzige Mutation ausgelöst wird. Das internationale Forscherteam um den Genetiker Ronald Roepman aus Nijemegen berichtet über seine Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Genetics.

LCA führt sehr früh – oft schon kurz nach der Geburt bzw. noch im ersten Lebensjahr – zur Erblindung. Verursacht werden kann die Krankheit durch eine einzige Mutation in verschiedenen Genen – mit dem neu entdeckten LCA5-Gen wurden bisher zehn krankheitsauslösende Gene identifiziert, die insgesamt für etwa 60 Prozent aller LCA- Erkrankungen verantwortlich sind. „Die verschiedenen Defekte führen zwar letztendlich alle zum selben Krankheitsbild, um die Krankheit beim einzelnen Patienten gezielt behandeln zu können, ist es aber wichtig zu wissen, welche Genveränderung im Einzelfall vorliegt und was sie bewirkt“, betont Dr. Marius Ueffing vom GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, das ebenfalls an dem Projekt beteiligt ist.

Molekulares Förderband

Das LCA5-Gen codiert für Lebercilin, ein bisher unbekanntes Protein. Mittels proteomischer Methoden konnte Ueffings Team zeigen, dass Lebercilin spezifisch mit anderen Proteinen interagiert, die eine Rolle beim Proteintransport in Zellen spielen. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass Lebercilin für den Proteintransport innerhalb der Sehzelle eine wichtige Rolle spielt: Lebercilin bindet – das zeigen elektronenmikroskopische Aufnahmen – innerhalb der als Photorezeptor bezeichneten Sehzelle am stärksten am so genannten Cilium, der Verbindungsstelle zwischen den inneren und äußeren Segmenten des Photorezeptors.

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Über dieses „molekulare Förderband“ muss auch das Sehpurpur ins äußere Segment der Sehzelle transportiert werden. Dort findet die Rezeption des Lichts statt. Ist die Lebercilin-Synthese gestört, kann, so die Arbeitshypothese der Forscher, verbrauchtes Sehpurpur im Außensegment nicht mehr ersetzt werden und das Sehvermögen geht verloren.

Ganz ähnliche Transportprozesse spielen auch in anderen Körperbereichen eine Rolle, zum Beispiel in der Niere. Lebercilin ist Teil eines komplexen Netzwerks von Proteinen, die ciliäre Transportprozesse steuern oder daran direkt beteiligt sind. Störungen in der Zusammenarbeit solcher molekularer Netzwerke auf der Ebene von Proteininteraktionen bilden oft die molekulare Grundlage von Erkrankungen. Im Falle ciliärer Erkrankungen (Ciliopathien) führen Funktionseinschränkungen des Ciliums zu Taubheit, Blindheit oder auch schweren Syndromerkrankungen. LCA ist daher ein gutes Modell, durch das langfristig auch mehr Erkenntnisse über andere, schwer behandelbare Krankheiten gewonnen werden können.

LCA unheilbar

LCA selbst ist bisher unheilbar. Patienten und Mediziner setzen aber große Hoffnungen in die Gentherapie: Da jeder Form von LCA die Mutation eines einzelnen Gens zugrunde liegt, könnte den Betroffenen durch den Austausch dieses Gens geholfen werden. Eine solche Gentherapie für LCA ist in Hunden, bei denen LCA natürlich vorkommt, bereits erfolgreich angewendet worden: Die behandelten Hunde können mit dieser Therapie wieder dauerhaft sehen. Eine klinische Studie an zwölf menschlichen Patienten läuft zurzeit an einem großen Krankenhaus in London mit ermutigenden Ergebnissen. Sollten diese sich dauerhaft bestätigen, schätzt Ueffing, dass in fünf bis zehn Jahren auch eine Gentherapie für Defekte im LCA5-Gen zur Verfügung steht.

„Die Betroffenen drängen auf ein rascheres Vorgehen“, betont Ueffing, „jedoch haben Forscher und Ärzte bei der Entwicklung und dem Einsatz der Gentherapie eine hohe Verantwortung. Hier müssen sehr hohe Standards für die Sicherheit gesetzt werden“.

(idw – GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, 02.08.2007 – DLO)

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