Anzeige
Medizin

Aus für Tuberkulose-Biomarker

Mangelhafte Beziehung zwischen T-Zell-Reaktion und Tuberkuloseschutz nach Tuberkulose-Impfung festgestellt

Der wichtigste Erreger der Tuberkulose, das Bakterium Mycobakterium tuberculosis, teilt sich alle 16 bis 20 Stunden. Verglichen mit anderen , die Teilungsraten im Bereich von Minuten haben, ist dies extrem langsam. © Brinkmann / Schaible, MPI für Infektionsbiologie

Weltweit sterben jedes Jahr fast zwei Millionen Menschen an Tuberkulose. Die krankheitsauslösenden Bakterien, Mycobacterium tuberculosis, werden durch Tröpfcheninfektion übertragen. Fieberhaft suchen Forscher deshalb nach neuen, wirksamen Impfstoffen, deren Effizienz sie mit so genannten Biomarkern prüfen. Berliner Forscher haben nun gezeigt, dass die bisher zur Bewertung neuer Impfstoffkandidaten verwendete zelluläre Immunantwort zu diesem Zwecke wenig taugt.

Sie sagt mehr über das Ausmaß der Infektion als über die Stärke des Schutzes aus, so die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS).

Ein Drittel der Weltbevölkerung infiziert

Ein Drittel der Weltbevölkerung ist nach Ansicht von Medizinern mit dem Tuberkulose-Erreger infiziert. Und noch immer gibt es keinen optimalen Impfstoff. Zwar entwickelten schon 1921 die beiden französischen Forscher Albert Calmette und Camille Guérin am Pasteur-Institut in Lille auf der Basis des Erregers der Rindertuberkulose einen TBC-Impfstoff. Doch hilft dieser lediglich bei Kleinkindern gegen die so genannte Miliartuberkulose. Bei der weltweit häufigsten TBC-Form, der Lungentuberkulose, bleibt der nach den beiden Forschern benannte Bacille-Camette-Guérin Impfstoff (BCG) wirkungslos. Kein Wunder, dass Wissenschaftler weltweit intensiv nach neuen Impfstoffen gegen die Lungentuberkulose suchen.

Schutzwirkung untersucht

„Unser Wissen um den Zusammenhang zwischen Schutz und Impfroute bzw. Dosierung ist jedoch dürftig“, so Stefan Kaufmann vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie über die Ausgangslage. In ihrer Studie an Mäusen verglichen die Berliner Forscher daher zunächst den Schutz nach oraler – Darreichung in Tablettenform – und systemischer (per Injektion) Impfung und brachten die durch die Impfung induzierte Immunität auf Zellebene mit dem Schutz gegen die experimentelle Tuberkulose in Verbindung.

Dabei zeigten sich in der Fortdauer und Ausbreitung des Bacille-Camette-Guérin-Impfstoffs (BCG) sowie der Frequenz und Lokalisierung der für den Schutz verantwortlichen T-Zellpopulationen deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Darreichungsformen. Bei systemischer Impfung fand das Team um Stefan Kaufmann und Hans-Willi Mittrücker große Mengen BCG in Milz, Leber und Lunge und nur geringe Mengen in den Lymphknoten und im Dünndarmgewebe.

Anzeige

Bei Mäusen, denen sie den Impfstoff oral verabreicht hatten, fiel das Ergebnis anders aus: Bei ihnen wimmelte es vor allem in den Lymphknoten und Dünndarmzellen von den Impfbakterien, während in tieferen Gewebeschichten nur wenige nachzuweisen waren. Offenbar kann die Darmschleimhaut und das mit ihr verbundene Lymphgewebe eine wirksame Barriere gegen oral verabreichte Mykobakterien aufbauen, folgern die Forscher.

Neuer Biomarker gesucht

Oral oder per Injektion – für den Impfschutz spielte die Eingabe allerdings eine weitaus geringere Rolle. Beide Impfwege schützen etwa gleichermaßen gegen eine Infektion mit Mycobacterium tuberculosis über die Atemwege, stellten die Forscher fest. Bei ihren Versuchen entdeckten sie allerdings noch ein weiteres wichtiges Detail, das neue Perspektiven in der Impfstoffforschung eröffnen könnte. Bislang ging man davon aus, dass bestimmte T-Zellen – die Interferon-Gamma produzierenden CD4+ T-Zellen – beim Aufbau des Schutzeffekts die Hauptrolle spielen. Sie werden daher oft als Biomarker eingesetzt, der Aufschluss über die Wirkung neuer Impfstoffkandidaten bieten soll.

Doch die Resultate von Kaufmann, Mittrücker und Kollegen weisen in eine andere Richtung. „Am besten korrelierte der Schutz mit der raschen Ansammlung spezifischer CD8+ T-Zellen im infizierten Gewebe“, sagt Kaufmann. „Dagegen zeigten die CD4+ T-Zellen eher die Infektionsstärke mit Mycobacterium tuberculosis an und nicht die Stärke des Schutzes.“ Damit steht die Forschung nun vor der Aufgabe, sich einen neuen Biomarker für den Effizienztest neuer Impfstoffkandidaten gegen Tuberkulose suchen zu müssen.

(idw – MPG, 01.08.2007 – DLO)

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Fusionsplasma

37 Millionen Grad im Fusionsplasma

Voyager 1 sendet wieder

„Anti-Aging-Geheimnis“ der Geiseltal-Frösche gelüftet

Video: Flug über einen außerirdischen Lavasee

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

Dossiers zum Thema

Vogelgrippe - Vom Tiervirus zur tödlichen Gefahr für den Menschen

AIDS - Auf der Suche nach der Wunderwaffe

Bücher zum Thema

Der Kampf zwischen Mensch und Mikrobe - 2 CDs (Audio CD) von Stefan H. E. Kaufmann (Erzähler), Klaus Sander (Produzent)

Viren - Grundlagen, Krankheiten, Therapien von Susanne Modrow

Was hab ich bloß? - Die besten Krankheiten der Welt von Werner Bartens

Menschen, Seuchen und Mikroben - Infektionen und ihre Erreger von Jörg Hacker

Mensch, Körper, Krankheit - von Renate Huch und Christian Bauer

Der Pilz, der John F. Kennedy zum Präsidenten machte - Und andere Geschichten aus der Welt der Mikroorganismen von Bernard Dixon

Top-Clicks der Woche