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Genetik

Qualle mit mehreren Köpfen entdeckt

Fabelmonster in der Petrischale

Meduse von Eleutheria dichotoma mit zwei Köpfen © Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

In einer Geschichte aus der griechischen Mythologie besiegt Herkules die vielköpfige, im Wasser lebende Hydra. Die Geschichte wirkt märchenhaft: mehrköpfige Tiermonster gibt es normalerweise nicht – angeblich. Doch Wissenschaftler haben jetzt das Gegenteil bewiesen. Sie fanden vielköpfige Quallen, die immer dann entstehen, wenn bestimmte Entwicklungsgene ausgeschaltet werden.

Wie die Forscher der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) in der Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins PlosOne berichten, konnten sie mittels einer für Meerestiere neuartigen Methode, so genannte Cnox-Gene im lebenden Tier blockieren. Diese Gene sind nahe verwandt mit den Hox-Genen der höheren Tiere und verantwortlich für die Ausbildung der Körpergrundgestalt entlang der Hauptkörperachse, also von vorne nach hinten.

Während die Entstehung mehrköpfiger Tiere bisher lediglich als seltene Entwicklungsanomalie unbekannter Ursache bei verschiedenen Tieren bekannt war, wurde jetzt erstmals die Vielköpfigkeit als induzierbare und reproduzierbare Entwicklung gezeigt, indem ein einziges regulatorisches Gen experimentell ausgeschaltet wurde.

Monster aus Menschenhand

Im Labor ist das Fabelwesen Hydra real geworden und liefert neue Erkenntnisse zur genetischen Steuerung der Kopfbildung bei Tieren. Wird ein bestimmtes Cnox-Gen ausgeschaltet, können die Wissenschaftler Medusen der Art Eleutheria dichotoma mit genau zwei Köpfen entstehen lassen, wobei beide Köpfe voll funktionsfähig, beispielsweise zur Nahrungsaufnahme, sind. In der Natur werden mehrköpfige Medusen oder andere Tiere kaum zu finden sein, da zusätzliche Köpfe bei sonst gleich bleibendem Körperbau keinen Selektionsvorteil bieten.

Die TiHo-Forscher Dr. Wolfgang Jakob und Professor Dr. Bernd Schierwater vom Institut für Tierökologie und Zellbiologie berichten jedoch, dass die gefundenen Bauplanveränderungen sehr wohl von großem Nutzen für die Evolution gewesen sein könnten.

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Nur ein Kopf wächst nach

So sieht die Meduse von Eleutheria dichotoma in der Natur aus. © Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

„Denkbar wäre, dass koloniebildende Nesseltiere, etwa die, die Korallenriffe aufbauen, aus einzeln lebenden Vorfahren hervorgegangen sind, indem diese parallel mit der Entstehung von mehreren Köpfen ihre hintere Körperregion so vergrößert und strukturiert haben, dass Tierkolonien entstehen konnten.“, sagt Schierwater. Hintergrund der Überlegungen ist, dass Nesseltier-Kolonien aus Einzeltieren entstehen indem zusätzliche Körperteile von einem Muttertier aus gebildet werden.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den vielköpfigen Medusen der Wissenschaftler im Labor und dem vielköpfigen Fabelmonster Hydra bleibt jedoch: Jedes Mal wenn Herkules der Hydra einen Kopf abschlug, wuchsen sogleich zwei neue Köpfe nach. Bei der Eleutheria-Meduse im Labor wächst nach Abtrennung eines Kopfes nur einer nach.

(idw – Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, 01.08.2007 – DLO)

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