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Medizin

Leberkrebs: Zwei Signalwege entscheiden über „gut“ oder „böse“

Verknüpfung macht Tumorzellen resistent gegen Chemotherapie

Metastastische Leberkrebszellen in einer 3-dimensionalen Gelmatrix. © Wolfgang Mikulits

Die Verknüpfung zweier Signalwege in Zellen des Lebertumors hat deutlichen Einfluss auf dessen Bösartigkeit. Entscheidend für diese Verbindung ist dabei die Aktivierung des Botenmoleküls „Platelet-Derived Growth Factor“ (PDGF). Dies haben jetzt Wissenschaftler aus Österreich im Rahmen eines aktuellen Projekts des Wissenschaftsfonds FWF entdeckt.

Wie sie im Fachjournal Oncogene berichten, nehmen Lebertumorzellen, bei denen die Signalwege verbunden wurden, tatsächlich Eigenschaften von Krebsstammzellen an, die sich grundsätzlich einer Chemotherapie widersetzen. Die Forscher hoffen durch das bessere Verständnis der beteiligten Signalübertragungswege neue Ansätze für modifizierte Therapien zu erhalten.

Wenn aus Epithelzellen Zellen des Mesenchyms werden, kann das gut sein ­ oder schlecht. Gut ist dies während der Embryonalentwicklung, bei Entzündungen oder bei Gewebeerneuerung. Sehr schlecht ist es, wenn diese als „Epithelial to Mesenchymal Transition“ (EMT) bezeichnete Umwandlung in Krebszellen auftritt. Denn Krebszellen erhalten so die Fähigkeit, in andere Gewebe auszuwandern ­ also die Fähigkeit, Metastasen zu bilden.

Suppressor oder Aggressor?

Die Beteiligung eines Signalwegs des „Transforming Growth Factor“ (TGF)-Beta an der EMT war bereits bekannt. Da dieser Botenstoff aber die Zellvermehrung eher verhindert und sogar Zellen für einen körpereigenen Schutzmechanismus empfindlich macht, war er bisher eher als Tumor-Suppressor betrachtet worden. Seit kurzem weiß man nun aber auch, dass TGF-Beta in Zellen, die bereits entartet sind, zu deren Aggressivität beiträgt. Wie genau dies passiert, war aber bislang nicht bekannt.

Jetzt gelang es dem Team um Professor Wolfgang Mikulits vom Institut für Krebsforschung der Medizinischen Universität Wien, einen großen Schritt zum besseren Verständnis dieser Vorgänge zu machen. Sie fanden heraus, dass der Signalweg des TGF-Beta über die Aktivierung des Platelet-Derived Growth Factor (PGDF) die Anreicherung eines weiteren Botenstoffes bewirkt, der bisher nicht in Zusammenhang mit dem Signalweg des TGF-Beta gebracht wurde: Beta-Catenin.

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Dazu Mikulits: „PGDF ist also quasi eine Brücke, die zwei bisher als unabhängig betrachtete Signalwege miteinander verbindet. Diese Entdeckung war in sich selbst schon spannend. Als wir aber dann die Wirkung des Beta-Catenin weiter untersuchten, wurden wir völlig überrascht.“

Langsam & unempfindlich

Bisher war Beta-Catenin eher mit einer erhöhten Zellteilungsrate ­ also schnellerem Tumorwachstum ­ in Zusammenhang gebracht worden. Das Team um Mikulits konnte aber in Zellkulturen ein ganz anders Zellverhalten in Reaktion auf Beta-Catenin feststellen: „Wir beobachteten, dass es tatsächlich Beta-Catenin war, das die Verminderung der Zellteilungsrate verursachte. An sich ist das ja keine schlechte Sache für einen Tumor, doch macht dies die Zellen als Ziel für eine Chemotherapie ungeeignet. Zusätzlich wiesen die Zellen, in denen Beta-Catenin vorkam, noch eine andere Eigenschaft auf. Sie waren weniger anfällig für einen natürlichen Schutzmechanismus des Körpers, der Zellen eliminiert, die aus Organen abwandern.“

Diese beiden Merkmale ­ geringe Teilungsrate und Entkommen der Schutzmechanismen ­ sind bei Tumorzellen aber als typische Eigenschaften von Krebsstammzellen bekannt ­ also von Zellen, die durch den Blutstrom verbreitet und an anderen Stellen neue Tumore erzeugen können: Metastasen.

Die Verbindung der Signalwege von TGF-Beta und Beta-Catenin durch PGDF trägt also zur Aggressivität des Lebertumors entscheidend bei ­ und bietet so einen neuen Angriffspunkt für zukünftige Therapien von Leberkrebs. Aber bereits jetzt zeigen die Ergebnisse dieses FWF-Projekts Möglichkeiten auf, die Therapie des Leberkrebses zu optimieren. Die Anhäufung von Beta-Catenin in Krebszellen lässt sich nämlich bereits vor Therapiebeginn diagnostizieren. In weiterer Folge könnte dann die Behandlung auf die Aggressivität des Tumors abgestimmt werden.

(Wissenschaftsfonds FWF/Universität Wien, 31.07.2007 – DLO)

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