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Neurobiologie

Säugetier-Ohren sind anders

Haarzellen im Innenohr erklären besondere Hörfähigkeit der Säugetiere

Aufbau des Innenohrs © MMCD

Wie funktioniert die Geräuschverstärkung in unseren Ohren – über genau diese Frage diskutieren Forscher seit nunmehr fast 30 Jahren. Jetzt haben Wissenschaftler herausgefunden, dass bei den Säugetieren nicht vibrierende Härchen die entscheidende Rolle im Innenohr spielen, sondern vielmehr Bewegungen der dort sitzenden Zellkörper. Bei Nicht-Säugetieren, so die jetzt in den „Proceedings of the National Academy of Science” veröffentlichte Studie, ist es dagegen umgekehrt.

Die von Wissenschaftlern des St. Jude Children’s Research Hospital durchgeführte Studie deckt nicht nur Grundlegendes über die Funktionsweise unseres Gehörs auf, sie könnte auch erklären, warum Hunde, Katzen, der Mensch und andere Säugetiere ein so sensibles Gehör haben und relativ leicht verschiedene Frequenzen identifizieren und auseinanderhalten können. Gleichzeitig erhellen die neuen Ergebnisse auch die Ursprünge einige Formen der Taubheit.

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Was macht die Säugerohren so effektiv?

Im Zentrum der langjährigen Diskussion stehen die äußeren Haarzellen, stäbchenförmige Zellen, die in dem flüssigkeitsgefüllten Teil des Innenohrs, der so genannten Cochlea, sitzen und auf Schallwellen reagieren. Aus diesen Zellen sprießen Büschel von feinsten Cilien, Härchen, die in die Innenohr-Flüssigkeit hineinragen. Wenn Schallwellen das Innenohr erreichen, erzeugt ihre Energie Wellen in der Flüssigkeit – ähnlich wie ein Stein, der in einem Teich geworfen wird. Die Cilien der Haarzellen schwingen dadurch im Rhythmus der Wellen vorwärts und rückwärts.

Gleichzeitig wird bei Säugetieren in den Haarzellen ein Protein namens Prestin freigesetzt, das die äußeren Zellbereiche kontrahieren lässt. Dadurch wird die Wirkung der Cilienschwingung maximiert und der Schall verstärkt. Während bei den Säugern dadurch sowohl die Cilien als auch die Zelle selbst vibrieren, besitzen Nicht-Säugetiere dieses Protein nicht und können daher auch ihre Haarzellen nicht kontrahieren. Offen war jedoch lange Zeit die Frage, ob die Cilien sowohl bei Säugern als auch Nicht-Säugern die Haupttriebfeder der Schallverstärkung sind oder ob sich die Schallverstärkung bei Säugern und Nicht-Säugern fundamental unterscheidet.

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Zellen oder Härchen?

Ein Teil der Wissenschaftler war der Ansicht, dass die Beweglichkeit der äußeren Haarzellenbereiche nur die relative Höhe der Cilien in der Flüssigkeit verändert und damit ihre Schwingungen maximiert, nicht aber eine eigenständige Rolle bei der Schallverstärkung spielt. Andere Forscher dagegen glauben, dass bei Säugetieren der Zellkörper unabhängig von der Cilienbewegung die Schallwahrnehmung beeinflusst.

„Wenn die somatische Beweglichkeit die dominante Kraft für die Schallverstärkung in Säugetieren ist, bedeutet dies, dass das Protein Prestin die Schlüsselrolle dafür spielt, dass das Gehör von Säugern so effektiv ist “, erklärt Jian Zuo, Neurobiologie am St. Jude’s Hospital. In ihrer aktuellen Studie nutzten die Zuo und seine Kollegen eine mutierte Form des Prestins, die keine Kontraktion in den Haarzellen auslöst, sondern sie sich erweitern lässt. Ihre These war, dass diese Veränderung das Gehör beeinflussen müsste, wenn die Position der Cilien eine entscheidende Rolle für die Schallverstärkung hätte.

Haarzellen unabhängig von Cilien

Tatsächlich zeigten die Versuche, dass Mäuse, die dieses Prestin in ihren Innenohren besaßen, keinerlei Veränderung in ihrer Hörfähigkeit aufwiesen. Offensichtlich war es für die Schallverstärkung irrelevant, ob die Cilien durch die Kontraktion der Haarzellen angehoben wurden oder nicht. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass die Position der Cilien zumindest bei Säugetieren nicht der entscheidende Faktor sein kann, und dass zudem die Kontraktion der Haarzellen unabhängig von den Cilien eine eigene Funktion besitzen muss.

„Unsere Entdeckung trägt dazu bei, die Mechanismen des Hörens zu erklären und auch, was bei einigen Formen der Schwerhörigkeit schief laufen könnte“, erklärt Zuo. „Es gibt eine Vielzahl von Ursachen dafür, darunter auch Folgen der Chemotherapie bei Krebs. Unsere Stärke ist es, einige grundlegende Fragen darüber zu stellen, wie der Körper arbeitet und die Antworten dann dafür zu nutzen, um zukünftig medizinische Probleme zu lösen.“

(St. Jude Children’s Research Hospital, 30.07.2007 – DLO)

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