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Genetik

Defekte Blutgefäßwände verursachen Herzschwäche

Neue Hoffnung für Herzkranke

Etwa ein Drittel aller Fälle von Herzschwäche mit krankhafter Erweiterung des Herzmuskels ist erblich bedingt. Bisher bekannte genetische Ursachen waren ausschließlich Schäden innerhalb der Herzmuskelzellen, den „Kraftmaschinen“ des Herzens. Doch auch Defekte an Eiweißen für die Verankerung von Körperzellen in ihrer Umgebung können zu der häufigsten Form der Herzschwäche führen. Dies haben jetzt Forscher am Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen in einer neuen Studie entdeckt.

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Besonders wichtig sind dabei, so die Forscher in der Fachzeitschrift Circulation, die Endothelzellen, die die Blutgefäße von innen auskleiden. Die mangelnde Zell-Verankerung und Zell-Kommunikation durch Defekte am so genannten Integrin-System führt zum Abbau der Endothelzellen. Die neuen Erkenntnisse der Forscher um Professor Dr. Ralph Knöll vom Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen öffnen ein neues Feld für Forschungen zur Behandlung von mehreren zehntausend Betroffenen allein in Deutschland.

In ihrer neuen Studie haben die Göttinger Herzforscher erstmals Defekte in den Eiweißen Laminin-alpha-4 (LAMA4) und Integrin-Linked-Kinase (ILK) in Zusammenhang mit der Herzschwäche gebracht. Beide Eiweiße sind an der Zell-Zell-Kommunikation und der Verankerung von Zellen in ihrer Umgebung beteiligt. Defekte in LAMA4 und ILK führen zum Untergang von Endothelzellen unter anderem im Herzen. „Die Defekte wirken sich offenbar vor allem auf das Herz aus“, erklärt Knöll, Leiter der Forschergruppe Kardiovaskuläre Molekulargenetik: „Man kann sich das so vorstellen: Eine Herzmuskelzelle kann sich anstrengen, wie sie will. Wenn sie nicht richtig in ihre Umgebung eingebettet ist, kann ihre Kraft unmöglich in koordinierte Pumpleistung münden.“

Zebrafische liefern wichtige Indizien

Der Verdacht, dass Schäden an den Innenwänden der Blutgefäße Mitverursacher der so genannten dilatativen Herzmuskelschwäche sein könnten, kam Knöll auf einem Kongress. Dort stellte Professor Dr. Jeroen Bakkers aus Utrecht, Niederlande, mutierte Zebrafische vor, deren Haut sich wie Bläschen vom Körper ablöste. „Im Vortrag zeigte Bakkers außerdem, dass sich bei den Tieren die innere Schicht der Blutgefäße, das Endothel, ablöst. Die Bilder erinnerten mich an Abbildungen aus den Blutgefäßen verstorbener Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie. Ich dachte: Gibt es da vielleicht einen Zusammenhang?“ Als Ursache der Hautbläschen und Herzprobleme der kleinen Fische fand sich ein schwerer Defekt im Gen für die Integrin-Iinked Kinase (ILK).

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In Göttingen untersuchte Knöll mit seinem Team daraufhin Blutproben von Patienten mit schwerer dilatativer Kardiomyopathie nach Defekten im ILK-Gen und einem funktionell verwandten Gen namens Laminin-alpha-4 (LAMA4). „Wir fanden zwei Mutationen in LAMA4 und eine im in ILK. Funktionelle Untersuchungen zeigen, dass diese Mutationen tatsächlich zum Untergang von Endothelzellen und damit zu Herzschwäche führen können“, so Knöll.

„Die Ergebnisse beweisen, wie wichtig es ist, über den Tellerrand der eigenen Forschung zu sehen“, sagt Professor Hasenfuß, Direktor der Abteilung Kardiologie und Pneumologie und Sprecher des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen: „Manchmal findet man die Antworten auf Forschungsfragen dort, wo man sie zunächst gar nicht sucht, etwa bei einem Fisch.“

Herz als schlaffer Sack

Die dilatative Kardiomyopathie ist die häufigste Form der Herzschwäche. Der Herzmuskel der Betroffenen pumpt das Blut immer schwächer durch den Körper. Die Patienten sind schnell erschöpft. Innere Organe wie Lunge oder Leber verlieren ihre Funktion. Im Endstadium gleicht das Herz einem schlaffen Sack. Die dilatative Kardiomyopathie ist häufiger Grund für Herztransplantationen.

(idw – Universitätsmedizin Göttingen, 26.07.2007 – DLO)

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