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Geowissen

Antarktis: Rätsel um „Loch im Eis“ gelöst

Forscher erklären Phänomen der Weddell Polynya aus dem Jahr 1974

Die Große Weddell Polynya in den Jahren 1974 bis 1976. © Gordon und Comiso / Lamont-Doherty Earth Observatory

Satellitendaten der Antarktis zeigten im Jahr 1974 ein rätselhaftes, gewaltiges Loch im Wintereis des Weddell-Meeres. Doch warum es zu dieser so genannten Weddell Polynya gekommen war, blieb lange Zeit unklar. Bevor eine Expedition aufbrechen konnte, um direkte Messungen vor Ort durchzuführen, schloss sich das Eis wieder. Jetzt haben Wissenschaftler endlich eine Erklärung für das Phänomen gefunden.

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Polynya ist ein russisches Wort, das in etwa bedeutet „Loch im Eis“. Für die Wissenschaftler war die Entdeckung der Weddell Polynya im Jahr 1974 eine Sensation, denn die freie Fläche erstreckte sich über 250.000 Quadratkilometer, etwa die Fläche aller westlichen Bundesländer zusammen. Doch wodurch entstand das Loch? Welche Bedingungen begünstigten sein Fortbestehen bis 1976? Dies war dreiunddreißig Jahre lang ein Rätsel. Ein deutsch-amerikanisches Forscherteam, darunter ein Ozeanograph vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) in Kiel, legte nun in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Climate neue Erkenntnisse über die Ursachen der Weddell Polynya vor.

Die Studie zeigt erstmals einen Zusammenhang zwischen dekadischen Klimaschwankungen in der Südhemisphäre und dem Auftreten der Großen Weddell Polynya. „Die Daten haben uns eine interessante und ungewöhnliche Entwicklung im regionalen Klimageschehen kurz vor der Bildung der Polynya aufgezeigt“, erzählt Martin Visbeck, Professor für physikalische Ozeanographie am IFM-GEOMAR und Koautor der Studie.

Antarktische Kettenraktion

Das Forscherteam stellte eine Verbindung zwischen der Polynya und der Abschwächung der Winde im Gebiet des Zirkumpolarstroms und dem antarktischen Kontinent in den Daten fest. Der Zirkumpolarstrom ist wie eine mächtige Wasserstraße, die den Kontinent umkreist und eine maßgebliche Rolle im Klimageschehen der Antarktis spielt.

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Die Abschwächung der Winde löste eine Art Kettenreaktion in dem Zusammenspiel zwischen Atmosphäre, Ozean und Eisbildung aus, so die Forscher. Die Abnahme der Winde führte zu weniger Niederschlag und begünstigte eine stärkere Vermischung der Wassersäule im Weddellmeer. Das wiederum erlaubte ein Aufsteigen von wärmerem Tiefenwasser an die Oberfläche. „Dieses wärmere Wasser schmolz das Eis des Weddell-Meeres und bescherte uns die große Polynya“, erläutert der Meeresforscher Visbeck das komplexe Geschehen.

Einmaliges Ereignis

Mitte der 70er Jahre konnten sogar Großrechner die riesige Datenmenge, die Satelliten aus dem All zur Erde funkten, nicht in Echtzeit auswerten. Als sich schließlich mit Zeitverzögerung das große Loch im Eis vor den Augen der Wissenschaftler in den Daten auftat, war das Phänomen auch schon wieder verschwunden. Die umgekehrte Kettenreaktion, ausgelöst durch eine Verstärkung der Winde über die letzten 20 Jahre, hatte eingesetzt, so die Erklärung der Wissenschaftler Visbeck, Arnold Gordon und Josefino Comiso.

„Leider gab es für uns damals keine Möglichkeit mehr, dieses imposante Loch im Eis durch Schiffsbeobachtungen und Messungen vor Ort zu untersuchen“, erzählt Visbeck ein wenig wehmütig. Seitdem schauen die Wissenschaftler Jahr für Jahr gebannt auf die Meereisdaten aus der Antarktis. Die Weddell Polynya zeigte sich seit 1976 jedoch nie wieder. Sie bleibt eine außergewöhnliche Erscheinung.

(idw – Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 24.07.2007 – DLO)

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