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Klima

Wetter-Chaos über Rhein und Schwarzwald

Zwischenbilanz des Wetterforschungsprogramms COPS vorgelegt

Die Wetter-Wirklichkeit über Rhein und Schwarzwald ist viel komplexer, als die Computer-Modelle zur Vorhersage glaubhaft machen: Dies ist die erste Bilanz der Wissenschaftler zur Halbzeit des weltgrößten Forschungsprojekts zur Niederschlagsvorhersage COPS (Convective and Orographically-induced Precipitation Study).

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Forscher aus acht Nationen wollen in dieser Studie mithilfe von neun Forschungsfliegern und einem Forschungszeppelin die Wettervorhersage verbessern und Klimamodelle im lokalen Maßstab ermöglichen.

„Bislang ging die Forschung davon aus, dass Landschaften wie das Rheintal die Luft wie in einem großen Kanal durchströmen lassen. Entsprechend vereinfacht stellen die Computermodelle zur Wettervorhersage die Luftströmungen auch dar“, erklärte Professor Volker Wulfmeyer vom Institut für Physik und Meteorologie der Universität Hohenheim als 1. Vorsitzender des COPS Lenkungsausschusses auf der gestrigen Pressekonferenz am Flughafen Baden-Airpark.

Eine zu starke Vereinfachung, die die Niederschlagsvorhersage lokal um bis zu 100 Prozent daneben liegen lässt, wie die Forscher aus acht Nationen Dank einer Phalanx modernster Messgeräte aus aller Welt herausfanden: „Seit 1. Juli 2007 messen wir erstmals dreidimensional und in nie da gewesener Genauigkeit unsichtbare Parameter wie Wind und Feuchtigkeit oder Partikelverteilung, die die Regenbildung steuern“, erläutert Professor Christoph Kottmeier vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Forschungszentrums Karlsruhe und der Universität Karlsruhe.

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Komplexe Wirbel und Strömungen

Dabei dokumentierten die Forscher komplexe Strömungsverhältnisse in der Atmosphäre, wo Luftmassen zusammen strömen, Wirbel bilden und aufsteigen, um Gewitter zu bilden. Als Ursache vermuten die Forscher unterschiedliche Erwärmung der Bodenfläche, wie sie durch Wolken, verschiedene Untergründe oder In-Homogenitäten im Wind ausgelöst werden können. „Bislang waren wir auf Vermutungen angewiesen – nun können wir sehen, was wirklich los ist und den Blindflug in der Wettervorhersage beenden“, sagt Kottmeier.

Ziel der Wissenschaftler ist eine neue Generation von Computermodellen, die eine wirklich exakte Vorhersage auf der Ebene einzelner Landkreise ermöglicht. Dazu setzen die Forscher ihre neuen Messergebnisse nahezu in Echtzeit in die bestehenden Modelle ein und überprüfen die Rechenergebnisse mit neuer Genauigkeit an der Wirklichkeit, um Konzept-Fehler in der Software Stück für Stück auszumerzen. „Im Westteil des Schwarzwalds fällt zum Beispiel nur halb so viel Regen wie vorhergesagt, im Ostteil ist es doppelt so viel. Das heißt, im großen Maßstab sind die Computermodelle richtig, im Detail besteht die Wetterkarte jedoch oft aus Bereichen mit systematischen Fehlern“, zitierte Wulfmeyer ein Beispiel.

High-Tech an über 100 Standorten

Um mit den systematischen Fehlern aufzuräumen, haben die Wissenschaftler den Schwarzwald über das Rheintal bis in die Vogesen mit einem Messnetz von über 100 Wetterstationen überzogen. Hinzu kommen fünf so genannte Supersites mit besonders aufwändigem Gerät. Alle fünf Minuten funkt Europas Wettersatellit Meteosat Aufnahmen aus dem All. Einmalig ist außerdem die Flotte von zehn fliegenden Forschungsplattformen inklusive eines Zeppelins, die Wissenschaftler aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien am Baden-Airpark konzentrierten.

„Bei jedem Gewitter gibt es besonders sensitive Regionen, die wir nur mit dem Flugzeug erreichen können“, betonte COPS Projekt-Partner Christian Keil vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Diese sensitiven Regionen befinden sich, abhängig von der jeweiligen Wetterlage, mehrere hundert Kilometer stromauf, beispielsweise über Spanien und der Biskaya. Mit Hilfe zusätzlicher flugzeuggetragener Beobachtungen des Windes und der Feuchte soll das Verständnis und die Vorhersage von starker Konvektion verbessert werden.

Flug in das Auge des Sturms

„Durch die internationale Zusammenarbeit besitzen wir für das COPS-Projekt erstmals eine hoch spezialisierte Flotte“, erklärte Keil. Die deutsche Falcon sei zum Beispiel in der Lage, aus elf Kilometern Höhe bis zum Erdboden dreidimensionale Messungen zu machen und so die gesamte Troposphäre, in der sich das Wettergeschehen abspielt, auf einmal zu untersuchen. Bis ins Auge des Sturms fliegt die britische FAAM BAe 146 und fängt die Gewitter zum Teil schon in ihrem Frühstadium über dem Atlantik ab, um ihre Entwicklung bis zum Schwarzwald weiter zu verfolgen.

„Hätten wir Messergebnisse wie diese schon vor Jahren gehabt, hätte uns beispielsweise Sturm Lothar nicht so unvorbereitet getroffen“, erläuterte Wulfmeyer. „Mit COPS liefern wir Grundlagenforschung, die uns besser auf extreme Wetterereignisse wie Hochwasser und Stürme wappnen soll. Gleichzeitig bilden die Wettermodelle die Basis für die Klimavorhersage – denn wie wollen wir uns auf den Klimawandel in 30 Jahren wappnen, wenn wir Probleme haben, das Wetter von morgen im Detail vorherzusagen“, ergänzte Kottmeier.

Projekt COPS

Die Messkampagne COPS ist Teil des Weltwetterforschungsprogramms der Vereinten Nationen: World Weather Research Programme der World Meteorological Organisation. Beteiligt sind fast alle rund 20 meteorologischen Institutionen Deutschlands und die führenden Forschungszentren für Meteorologie aus Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und den USA. Die Messkampagne COPS ist Teil des Schwerpunktprogramms 1167 „Quantitative Niederschlagsvorhersage“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und wird mit dem Messprogramm TRACKS der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und dem Weltwetterforschungsprogramm Forecast Demonstration Projekt D-PHASE koordiniert.

Eine wichtige Messstation bei COPS ist die US Atmospheric Radiation Measurement Program (ARM) Mobile Facility (AMF). Die Messkampagne ist eingebettet in eine europäische einjährige Beobachtungsphase, die General Observations Period (GOP).

(idw – Universität Hohenheim, 20.07.2007 – DLO)

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