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Astronomie

Charon als kosmische Eismaschine

Neue Daten belegen flüssiges Wasser im Inneren und aktiven Cryovulkanismus

Das Spektum von Charon aufgenommen vom Nahinfrarot-Instrument NIRI des Gemini Observatoriums auf Hawaii. © Jason Cook

Der Mond Charon, Begleiter des ehemaligen Planeten Pluto, gleicht einer kosmischen Eismaschine: Gefrorene Geysire speien Fontänen eines Wasser-Ammoniak-Gemischs, die sofort gefrieren und die Oberfläche des Mondes immer neu mit einer Schicht aus Eiskristallen überziehen. Die Belege für diese Eisaktivität wurden jetzt in der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal“ veröffentlicht.

Astronom Jason Cook von der Universität von Arizona und sein Team von Planetenforschern setzten für ihre Studie die Instrumente des Gemini Observatoriums auf Hawaii ein. Mithilfe einer Kombination der ALTAIR Systems adaptiver Optik gepaart mit dem Nahinfrarot-Instrument NIRI entdeckten sie die charakteristischen Signale von Ammoniumhydraten und Wasser auf der Oberfläche von Charon. Erstmals konnte auch die genaue Verteilung und Menge des Eises auf dem Himmelskörper genauer bestimmt werden.

Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass Geysire flüssiges Wasser gemischt mit Ammoniak tief aus dem Inneren des Mondes an die ultrakalte Oberfläche befördern. Dieser Transport geschieht nach Ansicht der Astronomen in Zeitspannen von wenigen Stunden oder Tagen und mit einer Rate, die Charons Oberfläche um einen neuen, flächendeckenden Überzug von einem Millimeter Dicke innerhalb von jeweils 100.000 Jahren versehen.

Kein primordiales Eis

Um diese Hypothese eines Cryovulkanimus zu belegen, untersuchten Cook und seine Kollegen eine Reihe weitere potenzieller Mechanismen für die Eisentstehung auf einem solchen Himmelskörper. Aus den Daten geht hervor, dass es sich bei dem Eis auf Charon nicht um primordiales Eis handelt, das noch aus den Anfängen des Sonnensystems stammt. Dieses würde innerhalb von einigen zehntausend Jahren durch das kosmische Strahlenbombardement eine amorphe Struktur einnehmen und seine kristalline Erscheinung verlieren.

Andere Prozesse, die „frisches“ Eis erzeugen, wie das Einschlagen von Meteoriten oder das Aufwellen von Material aus dem Inneren des Himmelskörpers werden von den chemischen „Fingerabdrücken“ des Wassers und der Ammoniumhydrate auf der Charonoberfläche nicht bestätigt. Der einzige Mechanismus, der die Daten erklären könnte, ist daher der Cryovulkanismus, die Eruption von Flüssigkeiten und Gase in eine ultrakalte Umgebung. Es gibt eine Anzahl von Mechanismen, die die Präsenz von kristallinem Wassereis auf der Oberfläche von Charon erklären könnten”, erklärt Cook. „Unsere Spektren deuten durchweg auf Cryovulkanismus hin, der flüssiges Wasser an die Oberfläche bringt wo es dann zu Eiskristallen gefriert. Das impliziert, dass es im Inneren von Charon flüssiges Wasser gibt.“

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Eisvulkanismus als Ursache

Cryovulkanismus ist im äußeren Sonnensystem relativ häufig. So zeigen beispielsweise sowohl der Saturnmond Enceladus als auch der Jupitermond Europa Belege für Wassereis, das explosiv oder aber langsam an die Oberfläche tritt und dort gefriert. Beide Monde stehen unter dem starken Schwerkrafteinfluss ihrer Planeten, diese Gezeitenkräfte sorgen für wechselnde Druckverhältnisse im Inneren und verursachen dadurch den Vulkanismus. Doch auch auf Himmelskörpern ohne Gezeiteneinflüsse, wie beispielsweise die Kuiper-Belt-Objekte Orcus, Quaoar und jetzt auch Charon findet sich Cryovulkanismus.

Der Schlüssel zum Verständnis des Cryovulkanismus auf Charon sind nach Ansicht von Cook die physikalischen Rahmenbedingungen. Da die Oberfläche des Himmelskörpers fast ausschließlich aus Wassereis besteht, muss es ein großes Reservoir von Wasser unter der Oberfläche geben. Ein Großteil davon ist wahrscheinlich gefroren, doch tief im Inneren blieb ein Teil flüssig, geheizt durch die Radioaktive Aktivität im Kernbereich. „Irgendwie muss dieses Wasser auch auf dem Weg nach oben flüssig bleiben,“ so Cook. „Das Ammoniak auf der Oberfläche gibt uns hier wertvolle Hinweise. Denn es hilft dabei, das Wasser flüssig zu halten. Ohne Ammoniak könnte das Wasser nicht nach draußen gelangen.“

Als nächsten Schritt wollen die Forscher bessere Spektren auch von anderen Kuiper-Belt-Objekten wie Quaoar und Orcus gewinnen. „Alle diejenigen, die eine Durchmesser größer als 500 Kilometer besitzen, zeigen Hinweise auf kristallines Wassereis“, erklärt Cook. „aber es gibt eine ganze Reihe von mittelgroßen Objekten, zwischen 200 und 500 Kilometern, an denen wir unsere Hypothesen ebenfalls testen wollen. Vor allem möchte ich nach Ammoniumhydrat Ausschau halten. Ich glaube, es muss dort draußen vorhanden sein.“

(Gemini Observatory, 19.07.2007 – NPO)

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