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Materialforschung

Ursuppe mit rechts und links

Sorgte Kalkstein für die Ausbildung bestimmter Aminosäuren?

Viele Meeresbewohner wie Perlenaustern, Seeigel oder Korallen sind wahre Meister der Biomineralisation. Denn sie sind nicht nur in der Lage, das ihre aus Calciumcarbonat bestehenden Skelette oder Schalen selbst herzustellen, sie verleihen den Kalkhüllen auch eine besondere Härte, die durch Menschenhand bisher nicht zu erreichen war. Jezt haben Forscher erstmals nachgewiesen, dass bei der Bildung unterschiedlicher Formen und Stabilitäten von Calciumcarbonat die so genannte Händigkeit, eine spezielle Form der Symmetrie, eine besondere Rolle spielt.

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Chiralität ist ein weit verbreitetes Merkmal in der Natur und beschreibt die Tatsache, dass zahlreiche Moleküle sich in ihrer räumlichen Anordnung zueinander verhalten wie Hände – sie sind analog aufgebaut, aber spiegelbildlich und lassen sich nicht zur Deckung bringen. In der Natur kommt von wichtigen biochemischen Molekülen meist nur eine von diesen zwei möglichen spiegelbildlichen Strukturen vor; dieses Phänomen wird als Homochiralität bezeichnet. So treten fast alle Aminosäuren nur in der linkshändigen L-Form auf, bestimmte Zucker dagegen nur in der rechtshändigen R-Form.

Wissenschaftler um Professor Wolfgang Tremel von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz konnten nun erstmals zeigen, das Einflüsse während der Kristallisation bestimmen, welche Form des Calciumcarbonats entsteht. Setzten sie im Labor bei der Kristallisation von Calciumcarbonat die natürliche L-Form von Aminosäuren ein, so bildete sich eine weniger stabile Variante des Calciumcarbonats, der Aragonit. Aragonit kommt in der Natur vor allem bei Muscheln, Austern und Perlen vor und ist an dem schillernden Farbenspiel des Perlmutts mitbeteiligt.

Setzten die Forscher jedoch eine „unnatürliche“, künstlich hergestellte rechtsdrehende Aminosäure-Form ein, so bildete sich Calcit. Das heißt die Chiralität der zugesetzten Aminosäure bestimmt, welche Form von Calciumcarbonat entsteht. Diese Wechselwirkung lässt den Schluss zu, dass die Beeinflussung auch umgekehrt funktionieren könnte: Bestimmte Aminosäuren lagern sich bevorzugt an Calcit, andere lieber am Aragonit an.

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Eine solche Wechselwirkung könnte wiederum dazu führen, dass in Anwesenheit einer der beiden Mineralsorten jeweils auch bestimmte Aminosäuren entstehen. Damit aber liefern die Ergebnisse möglicherweise auch einen Hinweis darauf, warum in der Urzeit eine chirale Sorte der Aminosäuren bevorzugt gebildet wurde, da im Archaikum der Meeresboden von Calcit bedeckt war. Dies wäre eine Erklärung dafür, wie Aminosäuren in der Urzeit nach ihrer Chiralität sortiert und zu Peptiden polymerisiert wurden – die Grundlage für Proteine und darauf aufbauende komplexere biochemische Lebensmoleküle und Grundlage für das Leben überhaupt.

(Universität Mainz, 12.07.2007 – NPO)

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