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Biologie

Ameisen nutzen Harz als Antibiotikum

Erstmals Verdoppelung der Überlebensrate nachgewiesen

Eine Waldameisenarbeiterin auf ihrem Nest mit einem Harzklümpchen, das sie gesammelt hat. © SNF

Waldameisen setzen Harz gegen krankheitserregende Bakterien und Pilze ein. Wie Schweizer Forscher berichten, überleben dank dieser Strategie zweimal mehr Ameisen als ohne das Harz. Zum ersten Mal gelang damit der Nachweis, dass eine pflanzliche Substanz, die von wilden Tieren gesammelt wird, deren Überlebenschancen beim Kontakt mit Krankheitserregern erhöht.

Seit Jahren werden sie von Michel Chapuisat und Philippe Christe, Forscher im Departement für Ökologie und Evolution der Universität Lausanne, im Waadtländer Jura beobachtet: Die Waldameisen der Art Formica paralugubris, die hier einen eigentümlichen Reigen aufführen. Sie sammeln mit ihren Mundwerkzeugen von den benachbarten Fichten oder vom Boden Harzklümpchen mit einem Durchmesser von bis zu sieben oder acht Millimetern. Dann wandern sie ihren Duftmarkierungen entlang in den Ameisenhaufen zurück, wo sie die Klümpchen überall verteilen.

Ähnliche Strategie bei Vögeln

Diese Strategie erinnerte an Beobachtungen in den 1980er-Jahren bei Vögeln, die gezielt Pflanzenmaterial mit parasitenhemmenden flüchtigen Stoffen in ihr Nest einbauen. Dies ist auch beim Harz der Fall, wie Michel Chapuisat und Philippe Christe bereits 2003 nachgewiesen haben. „Die Studie hat gezeigt, dass das Harz die Zahl der Bakterien und Pilze im Nest vermindert. Bis jetzt konnte jedoch kein klarer Effekt der Parasiten auf die Überlebensrate der Ameisen nachgewiesen werden“, blickt Chapuisat zurück. Diese Lücke wurde nun geschlossen. Die beiden Ökologen werden ihre Ergebnisse zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Pasqualina Magliano und ihrer Kollegin Anne Oppliger von der Universität Lausanne in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichen.

Tests an zwei Erregern

Die Forschenden haben zwei in der Biologie bekannte Erreger untersucht: das Bakterium Pseudomonas fluorescens und den Pilz Metarhizium anisopliae. Auch wenn P. fluorescens im Allgemeinen als gutartig gilt, kann die Toxizität bei verschiedenen Stämme stark variieren. Ein bestimmter Stamm ist für Mückenlarven und -puppen tödlich, ein anderer für Marienkäferlarven. Die Sporen des Pilzes M. anisopliae, der in der Schweiz stark verbreitet ist, keimen auf der Oberfläche zahlreicher Insektenarten (Heuschrecken, Käfer, Mücken usw.), insbesondere auf Waldameisen.

Schutz vor allem für die Larven

Harz hemmt das Wachstum beider Mikroorganismen, wie die von Michel Chapuisat und seinen Kollegen durchgeführten Tests im Labor ergaben. Auch wenn die Wirkmechanismen des Harzes nicht genau bekannt sind, scheinen die vom bernsteinfarbenen Saft abgegebenen flüchtigen Stoffe die Vermehrung der Bakterien und Pilze zu bremsen. Außerdem könnte das Harz, das viele Terpene und andere ölige Verbindungen enthält, auch eine hemmende Wirkung auf weitere Mikroorganismen haben. Die schützende Wirkung könnte insbesondere während der Larvenstadien die Produktivität einer Ameisenkolonie erhöhen, die eine Lebensdauer von mehreren Dutzend Jahren hat.

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Nachweis erhöhter Überlebenschancen

Die aus acht Ameisenhaufen im Waadtländer Jura stammende Population bestand aus rund siebzig Königinnen und Tausenden von Arbeiterinnen. Die Neugeborenen der Kolonie wurden verschiedenen Behandlungen unterzogen. Die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache: „Die Überlebensrate von Arbeiterinnen und Larven, die mit Pseudomonas-fluorescens-Bakterien ausgesetzt wurden, war zweimal höher, wenn Harz zugegen war. Dasselbe traf auf Larven zu, die dem Metarhizium-Pilz ausgesetzt wurden“, führt Philippe Christe aus. Zum ersten Mal gelang damit der Nachweis, dass eine pflanzliche Substanz, die von wilden Tieren gesammelt wird, deren Überlebenschancen beim Kontakt mit Krankheitserregern erhöht. Wenn hingegen keine Krankheitserreger vorhanden sind, hat der Saft der Nadelbäume weder einen positiven noch einen negativen Einfluss auf die Ameisen.

Die medizinischen Eigenschaften von Harz werden vermutlich nicht nur von Ameisen genutzt. Wahrscheinlich tun dies auch Bienen, die ein Harz aus den Knospen und der Rinde bestimmter Bäume gewinnen, so genanntes „Propolis“, mit dem sie Risse in den Bienenstöcken abdichten. Ob dieses Harz eine positive Wirkung auf das Überleben der Bienen hat, ist allerdings noch nicht nachgewiesen.

(Schweizerischer Nationalfonds (SNF), 06.07.2007 – NPO)

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