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Mikrobiologie

Auch Bakterien sind Strategen

Kommunikation von Mikroben komplexer als angenommen

Leuchtbakterien Vibrio fischeri © NIH

Das Verhalten von Bakterien ist weitaus komplexer und umfassender, als bisher angenommen. Mithilfe eines so genannten „Efficiency Sensing“ können die Mikroben feststellen, ob sich in ihrer Umwelt beispielsweise der Energieaufwand lohnt, um Antibiotika zu produzieren oder einen Biofilm zu bilden.

Auch Bakterien „reden“ miteinander: Sie senden chemische Botenstoffe aus, die von Artgenossen aufgenommen werden. Doch was haben sie sich zu sagen? Und wie leiten sie daraus ab, was sie tun müssen? Denn bakterielle Gemeinschaften sind zu erstaunlich komplexen, kollektiven Handlungen imstande. Sie können zum Beispiel einen Biofilm bilden oder Stoffe produzieren, um unter widrigen Bedingungen zu überleben.

Von Leuchtenden und „Schmarotzern“

Entdeckt wurde die mikrobielle Kommunikation zunächst unter stark vereinfachten Bedingungen im Labor. So begannen Kulturen des Leuchtbakteriums Vibrio fischeri stets ab einer bestimmten Zelldichte zu leuchten. Dieser Schwellenwert – Quorum – wurde offensichtlich als Startschuss für die chemische Leucht-Reaktion verstanden (Quorum Sensing). Allerdings hatte diese Erklärung einen Schwachpunkt: Von der Leucht-Reaktion ihrer Artgenossen profitierten eben auch solche Bakterien, die ihren Stoffwechsel schonten. Solche „Schmarotzer“

würden sich jedoch über kurz oder lang stärker vermehren und damit das kooperative Phänomen zum Erliegen bringen.

Die andere Erklärung kommt ohne Kooperation aus: Denn die Bakterien könnten auch einfach aus der Konzentration der Signalmoleküle ableiten, wie viel freier Raum in ihrer unmittelbaren Umgebung zur Verfügung steht (Diffusion Sensing). Allerdings vernachlässigt diese Theorie die Bedeutung der räumlichen Verteilung der Bakterien in ihrem Lebensraum.

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Gesamtstrategie anstelle von Entweder-Oder

Nun hat eine Gruppe aus Biomathematikern und Biologen vom Helmholtz- Zentrum GSF und der Universität Bonn gezeigt, dass Bakterien in natürlichen Umgebungen, die weitaus komplexer sind, eine Gesamtstrategie nutzen, die sich nur in einfachen Extremfällen auf Diffusion Sensing oder Quorum Sensing reduzieren lässt. Erst mit dieser Gesamtstrategie, dem „Efficiency Sensing“ können Bakterien feststellen, ob sich in ihrer Umwelt der Energieaufwand lohnt, um Antibiotika zu produzieren oder einen Biofilm zu bilden.

Die Wissenschaftler untersuchten dafür den Lebensraum an Wurzeloberflächen im Boden, die so genannte Rhizosphäre. Hier findet sich ein hochkomplexes und kleinräumig verzahntes Gemisch aus Feststoffen, Gelen, Flüssigkeiten und Gasen, in denen zahllose Organismen und Lebensgemeinschaften kreuz und quer miteinander „palavern“. Dieses Beispiel haben Burkhard Hense und Christina Kuttler vom GSF- Institut für Biomathematik und Biometrie (IBB) modelliert, indem sie eng mit Professor Anton Hartmann und Michael Rothballer von der GSF-Abteilung Mikroben-Pflanzen-Interaktionen (AMP) sowie dem theoretischen Biologen Jan-Ulrich Kreft von der Universität Bonn zusammen gearbeitet haben.

Räumnliche Bedingungen entscheidend

Hense und Kuttler zeigten, dass die Kommunikation in der Rhizosphäre nicht nur von der Zelldichte oder der Größe der Umgebung abhängt, sondern auch stark von der räumlichen Verteilung der Bakterien. Die Mikroben nehmen immer eine Mischung aus Zelldichte, Zellverteilung und Diffusionslimitierung durch räumliche Bedingungen wahr und es kommt dabei auf die genauen Umstände an, welcher Aspekt die Oberhand gewinnt.

Das „Schmarotzerproblem“ wird dabei durch Zusammenballung eng verwandter Organismen gelöst, die an den Wurzeloberflächen „klonale Mikrokolonien“ bilden. Und da so alle Verwandten in nächster Nähe sitzen, „lohnt“ sich genetisch gesehen auch die Kooperation – Fremde bleiben weitgehend ausgeschlossen.

Ausgezeichnet mit Erwin Schrödinger-Preis

Für ihre Analyse der Strategien von Bakterien in komplexen, natürlichen Umgebungen erhalten die beiden Forscher nun den Wissenschaftspreis des Stifterverbands – Erwin Schrödinger-Preis. „Mit diesem Preis werden Ergebnisse ausgezeichnet, die durch enge Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen und meist auch zusammen entstanden sind“, betont Prof. Dr. Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, die diesen Preis abwechselnd mit dem Stifterverband finanziert. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert und wird auf der Jahrestagung der Helmholtz- Gemeinschaft am 12. September 2007 in Berlin überreicht.

Die jetzt ausgezeichnete Forschungsarbeit erschließt, so die Juroren, neue Sichtweisen auf das Gebiet der bakteriellen Kommunikation und dürfte langfristig neue Möglichkeiten aufzeigen, in das bakterielle Signalsystem gezielt einzugreifen: Zum Beispiel in der Land-wirtschaft, um bestimmte Bodenbakterien zu unterstützen oder in der Medizin, um bei bakteriellen Infektionen die Bildung von Biofilmen zu verhindern.

(Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, 19.06.2007 – NPO)

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