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Physik

Molekulare Pirouetten

Wissenschaftler sehen Molekülen beim ultraschnellen Ausrichten zu

Das Foto zeigt das Innere einer Vakuumkammer, in der ein hochintensiver Laserstrahl (blau) mit einer Sammellinse auf ein dünnes Kupferband in einen extrem kleinen Punkt gebündelt wird (Durchmesser 1/100 Millimeter). Das starke elektrische Feld der Laser-Blitze reißt Elektronen aus der Kupferoberfläche heraus und beschleunigt sie auf ein Drittel der Lichtgeschwindigkeit. Diese schnellen Elektronen erzeugen dann im Kupferband hochenergetische Röntgenstrahlen nach dem gleichen Prinzip wie in einer konventionellen Röntgenröhre. © MBI

Eine ultraschnelle Trennung von elektrischer Ladung innerhalb eines Moleküls während einer chemischen Reaktion veranlasst bis zu zehntausend Nachbarmoleküle sich in molekularen Pirouetten neu zu orientieren und auszurichten. Dieses durch Licht hervorgerufene Phänomen haben Forscher jetzt zum ersten Mal direkt beobachtet.

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Die Wissenschaftler vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie in Berlin und von der Ludwig-Maximilians-Universität in München berichten darüber in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Für ihre Studie erzeugten sie mit extrem kurzen Lichtimpulsen eine Trennung von positiver und negativer elektrischer Ladung in einzelnen Molekülen, auf welche die Moleküle der Umgebung dann mit einer Änderung ihrer räumlichen Ausrichtung reagieren. Diesen grundlegenden Prozess erfassten die Forscher erstmals durch Beugung von Femtosekunden-Röntgenimpulsen mit hoher Präzision und in Echtzeit.

In der Natur sind chemische und biochemische Reaktionen stark durch das umgebende Medium beeinflusst, zum Beispiel ein wässriges, makromolekulares oder kristallines Milieu. Während des Reaktionsablaufs ändert sich aber die Struktur der Umgebung, die ihrerseits auf die Geschwindigkeit der Reaktion und die Stabilität der Reaktionsprodukte zurück wirkt. Derlei Prozesse laufen häufig im Zeitbereich unterhalb einer Pikosekunde ab, das heißt, sie sind kürzer als das Millionstel einer Millionstel Sekunde.

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Schnappschüsse von molekularen Strukturen

Ultrakurze Röntgenimpulse bilden die Änderung von molekularen Strukturen der Umgebung während des Prozesses als eine Abfolge von „Schnappschüssen“ ab. Daraus lassen sich der Abstand und die Ausrichtung der Moleküle direkt bestimmen. Um solche Röntgenblitze zu erzeugen, nutzen die Wissenschaftler aus Berlin und München Ultrakurzpulslaser. Sie untersuchten mit ihrer Methode die durch Licht hervorgerufene Trennung molekularer Ladungen, ein Prozess, wie er zum Beispiel in der Photosynthese auftritt.

Um Änderungen molekularer Abstände und Orientierungen gleichermaßen sichtbar zu machen, wählten die Wissenschaftler als Modellsystem einen Kristall, in dem 4-(Diisopropylamino)benzonitril (DIABN)-Moleküle regelmäßig angeordnet sind. Es gelang ihnen, während und nach der Ladungstrennung strukturelle Änderungen der Molekülumgebung mit einer Präzision von Bruchteilen eines Atomdurchmessers zu bestimmen.

Drehbewegungen ohne Verzögerung

So fanden sie heraus, dass die Ladungstrennung im angeregten Molekül elektrische Kräfte hervorruft, durch welche die umgebenden Moleküle je nach Abstand um einen Winkel von bis zu zehn Grad gedreht werden. Auf Grund der großen Reichweite der elektrischen Wechselwirkung nehmen für jedes angeregte Molekül ungefähr zehntausend Umgebungsmoleküle an diesem Vorgang teil. Die Drehbewegungen erfolgen ohne messbare Verzögerung zur Ladungstrennung, die im Bereich weniger Pikosekunden abläuft, und lassen den Abstand der Moleküle unverändert.

Diese mit einer bisher unerreichten Kombination höchster räumlicher und zeitlicher Auflösung erzielten Ergebnisse zeigen, dass in der Natur lokale chemische Reaktionen über elektrische Felder unmittelbar mit Strukturänderungen in einer ausgedehnten Umgebung verbunden sind. Sie ebnen darüber hinaus den Weg zur Untersuchung komplexerer Systeme bis hin zu kristallisierten biologischen Makromolekülen. Neben Laser-getriebenen Röntgenquellen werden in Zukunft auch ultrakurze Röntgenimpulse aus Freie-Elektronen-Lasern für solche Untersuchungen eingesetzt, etwa aus dem in Hamburg im Bau befindlichen XFEL.

(idw – Forschungsverbund Berlin, 13.06.2007 – DLO)

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