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Astronomie

Kosmische Kicks verhelfen Schwarzen Löchern zur Flucht

Neue Erkenntnisse zur Kollision der Massemonster im All

Zwei Schwarze Löcher aus verschiedenen räumlichen Perspektiven. Sie vollführen einen "letzten Tanz" bevor sie verschmelzen und sich in eine gemeinsame Richtung davon bewegen. © TPI/FSU

Wenn zwei Schwarze Löcher zusammenstoßen, dann bebt das All und sie verschmelzen zu einem einzigen, noch größeren Massemonster. Als ob es bei der Kollision zusätzlich einen „Tritt von der Relativitätstheorie“ erhalten hätte, bewegt sich dieses Schwarze Loch anschließend mit großer Geschwindigkeit durch den Weltraum. Ein internationales Forscherteam hat jetzt herausgefunden, dass dieser extra „Kick“ manchmal wesentlich heftiger ist, als bisher erwartet. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ berichten, kann er theoretisch sogar so groß sein, dass Schwarze Löcher aus einer Galaxie herausgeschleudert werden.

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Schwarze Löcher sind Ungetüme der Schwerkraft, die nicht einmal Licht ihrem Bannkreis entkommen lassen. Bei ihrer Kollision werden enorme Energiemengen frei, die Raum und Zeit in wilde Schwingungen versetzen. „Solche Gravitationswellen breiten sich normalerweise in alle Richtungen aus“, sagt Professor Bernd Brügmann von der Universität Jena, der zusammen mit dem Mexikaner José González, dem Neuseeländer Mark Hannam, dem Österreicher Sascha Husa und dem Deutschen Ulrich Sperhake an der Studie beteiligt war.

„Unter bestimmten Umständen kann es aber passieren, dass eine Abstrahlungsrichtung bevorzugt wird“, so der Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Gravitationswellenastronomie“ weiter. Die Kollisionswellen bewegen sich dann bevorzugt in die eine, das entstandene Schwarze Loch in die entgegengesetzte Richtung.

Kicks nur theoretisch vorhersagbar

Wie groß der auf diese Weise entstehende Kick ist, hängt davon ab, wie unterschiedlich die Massen der Schwarzen Löcher sind, und wie schnell sie sich um ihre eigene Achse drehen. Bislang sind Kicks jedoch lediglich theoretisch vorhersagbar, da sich Schwarze Löcher in der Praxis nur schwer beobachten lassen. Erst seit kurzem können einige wenige Gruppen weltweit den gesamten Verschmelzungsprozess von Schwarzen Löchern im Computer simulieren und so die resultierende Kick-Geschwindigkeit berechnen. Lange Zeit hatten sich Theoretiker hauptsächlich auf Systeme ohne eigene Drehbewegung konzentriert, da sich diese besser berechnen lassen.

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„Die große Überraschung ist, wie viel größer Kicks bei Schwarzen Löchern mit Eigendrehung sein können“, sagt Brügmann, der mit seinem Forschungsteam zeigt, dass Schwarze Löcher bei der Kollision Kick-Geschwindigkeiten von 2.500 Kilometer pro Sekunde erreichen. Dazu sei allerdings eine spezielle, in der Natur womöglich sehr seltene Ausgangslage der Schwarzen Löcher erforderlich, bei der diese in entgegengesetzter Richtung und senkrecht zur Umlaufachse rotieren.

Frühere Berechnungen ergaben lediglich Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern pro Sekunde. Aufgrund der neuen Ergebnisse gibt es Vorhersagen eines amerikanischen Forschungsteams, dass Kicks von bis zu 4.000 Kilometer pro Sekunde möglich sind.

Irrläufer im All

Würde sich ein Schwarzes Loch mit einer solchen Geschwindigkeit durchs All bewegen, hätte das dramatische Konsequenzen. Normalerweise sind Schwarze Löcher in Sternenhaufen oder Galaxien durch die Schwerkraft gebunden. Je größer aber der Kick des Schwarzen Loches ist, umso wahrscheinlicher wird es, dass es der Anziehung seiner Galaxie entkommen kann.

„Uns interessiert deshalb vor allem die Frage, ob der Kick ein Schwarzes Loch aus einer Galaxie herauskatapultieren kann“, so Brügmann. Ab einer Geschwindigkeit von rund 2.000 Kilometern pro Sekunde, so schätzen die Forscher derzeit, könnten selbst supermassive Schwarze Löcher aus dem Zentrum von großen Galaxien herausgeschleudert werden. „Nach unseren neuen Erkenntnissen ist es also zumindest in extremen Ausnahmefällen denkbar, dass bei der Kollision von Schwarzen Löchern Irrläufer entstehen, die wie eine Rakete unaufhaltbar durchs Weltall rasen“, resümiert Brügmann.

(idw – Universität Jena, 11.06.2007 – DLO)

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