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Physik

Quantenphysik: Neuer Rekord beim Verschicken geheimer Botschaften

Einsteins "spukhafte Fernwirkung" über eine Distanz von 144 Kilometern nachweisbar

Die Quantenkryptographie soll eine abhörsichere Kommunikation ermöglichen. Ein großer Schritt auf dem Weg dorthin ist nun einem internationalen Forscherteam gelungen. In einem Experiment konnten die Physiker aufzeigen, dass die so genannte quantenmechanische Verschränkung, die von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet wurde, selbst über eine Distanz von 144 Kilometern nachweisbar bleibt – zehn mal weiter als je zuvor gemessen.

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Das Ergebnis hat nicht nur Bedeutung für die Grundlagenphysik sondern auch für die praktische Anwendung: Die Quantenverschränkungen können zur Erzeugung eines geheimen Schlüssels und damit zur abhörsicheren Nachrichtenübertragung verwendet werden, wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Physics berichten.

Lichtteilchen sind bei diesem Experiment die Träger von Informationen. Licht hat zugleich Wellen- und Teilcheneigenschaften. Die Teilchen werden auch Photonen oder Lichtquanten genannt. Die quantenmechanische Eigenschaft der Verschränkung von Photonen verursacht übereinstimmende Messergebnisse an Teilchenpaaren – egal wie weit die Teilchen voneinander entfernt sind. In der experimentellen Studie für die Europäische Raumfahrtagentur ESA fragten die Forscher unter der Leitung von Harald Weinfurter, Professor für Quantenoptik an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Max-Planck-Institut für Quantenoptik, und Professor Anton Zeilinger, Universität Wien, danach, was passiert wenn eines von zwei verschränkten Lichtteilchen weit entfernt vom anderen gemessen wird.

Die Situation scheint zunächst sehr dem Spiel mit zwei herkömmlichen Würfeln ähnlich zu sein. Nach einem Wurf zeigt jeder der beiden eine zufällige Augenzahl – das gleiche würden wir auch bei verschränkten Würfeln beobachten. Während aber bei herkömmlichen Würfeln die beiden Zahlen unabhängig voneinander sind, zeigen „verschränkte Würfel“ immer die gleiche Augenzahl, egal wie weit sie voneinander getrennt sind. Genau dieser Umstand wird in der Quantenkryptographie ausgenutzt, um einen kryptographischen Schlüssel zu erstellen.

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Photonen auf der Reise

Im Experiment wurden die verschränkten Photonen am Roque de los Muchachos Observatorium auf der Kanarischen Insel La Palma erzeugt. Eines der Photonen wurde über ein Teleskop auf seine 144 Kilometer lange Reise durch die Luft zur Nachbarinsel Teneriffa geschickt, wo das OGS, ein für die Satellitenkommunikation gebautes Teleskop der ESA, als Empfänger diente.

Das Schwester-Photon wurde lokal in La Palma gemessen, wobei die Messergebnisse der Polarisation – entspricht der Augenzahl der Würfel – der beiden Photonen miteinander verglichen wurden. Mit großer Wahrscheinlichkeit ergab die Messung in La Palma dasselbe Ergebnis wie die Messung am Photon in Teneriffa. Mittels dieser Eigenschaft konnte ein geheimer Schlüssel ausgetauscht werden, den nur die rechtmäßigen Sender und Empfänger kennen und daher zur abhörsicheren Nachrichtenübertragung verwenden können.

Wenngleich der quantenmechanische Effekt der Verschränkung schon lange bekannt und in vielen Experimenten untersucht worden ist, ist es eine gewaltige technische Herausforderung, dies über sehr große Distanzen zu realisieren. Auf dem Weg durch die Atmosphäre wechselwirken die Lichtteilchen mit Atomen und Molekülen, obendrein lenkt Luftunruhe den Lichtstrahl ab, ähnlich dem Flirren über heißem Asphalt. Im Experiment konnten die Wissenschaftler jedoch eine hohe Verschränkungsqualität der Partnerteilchen nachgewiesen werden. Alternativ können auch schwache Laserpulse zur Quantenkryptographie verwendet werden, bisher aber nur über kurze Distanzen.

Globale Verteilung von Quantenzuständen

Im Rahmen des ESA-Projekts wurde gezeigt, dass, unter Ausnutzung einer neuartigen Kodierung, mit vergleichbarer Ausbeute Schlüssel auch über diese große Entfernung erzeugt werden können.

Will man mit Satelliten kommunizieren ist die Entfernung zwar größer, aber die störende Luftschicht deutlich dünner. Die Experimente zeigen daher aus Sicht der Forscher eindeutig, dass sichere Nachrichtenübertragung von und zu Satelliten auf Basis der Quantenkommunikation schon mit heutiger Technologie möglich ist.

Die Europäische Raumfahrtagentur ESA plant bereits weitere Schritte hin zur globalen Verteilung von Quantenzuständen entweder mittels Satelliten, oder mit einem Quantenkommunikationsmodul installiert am europäischen Weltraumlabor Columbus der Internationalen Raumstation ISS. Damit wird es möglich sein, die bisherige Entfernungsbegrenzung der Quantenkryptographie zu überwinden und Quantenkommunikation auf globalem Niveau zu verwirklichen.

(idw – Universität München, 05.06.2007 – DLO)

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