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Nanotechnologie

Nanodraht spürt Chipfehler auf

Mit perfekten Spitzen inneren Spannungen auf der Spur

Manipulationssequenz für das Verschweissen eines Nanodrahtes zur Raman-Spektroskopie, überwacht im Elektronenmikroskop: a) ein Nanodraht wird vom Siliziumrasen gebrochen und auf den Goldkopf gekippt; b) die noch unverfeinerte Spitze des Spektroskops kommt in Kontakt mit dem Nanodraht; c) die Spitze bringt den Nanodraht senkrecht in Position; d) Spitze und Nanodraht werden per Elektronenstrahl miteinander verschweisst; e) die verfeinerte Nanospitze wird aus dem Mikroskop entfernt; f) Halter mit feiner Spitze fertig für den Einsatz bei der Raman-Spektroskopie. © Empa

Wir erwarten immer leistungsfähigere Computer, Mobiltelefone mit noch mehr Funktionen, kleinere MP3-Player. Im Herzen der Hightech sitzen Siliziumchips mit winzig kleinen Schaltkreisen. Um die Qualität der Chips zu überprüfen, kommen optische Methoden wie die Ramanspektroskopie zum Einsatz. Eine bedeutende Verbesserung der Spektroskopie-Technik ist nun Wissenschaftler gelungen. Sie konstruierten eine Spitze aus Silizium-Nanodrähten, die die Methode um bis zu 100-mal präziser macht. Damit werden nun selbst Veränderungen auf molekularer Ebene – auf einem Chip etwa – sichtbar.

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Eigenschaften von Werkstoffen im Nanometerbereich zu studieren, ist eine Spezialität der neuen Empa-Abteilung Werkstoff- und Nanotechnik in Thun. Das Team von Johann Michler erforscht die innere Struktur von Festkörpern mit Hilfe der so genannten spitzenverstärkten Ramanspektroskopie: Ein Laserstrahl tastet die Oberfläche einer Probe ab und bringt Moleküle darin zum Schwingen. Dabei absorbieren die Moleküle einen Teil des Lichtes – um ihn später wieder abzustrahlen.

Diese „Raman-Streuung“ ist einzigartig für viele chemische Substanzen und Materialien – sozusagen ihr optischer Fingerabdruck. Daraus kann man zum einen ableiten, woraus die Probe besteht; zum anderen, ob sie fehlerhaft ist oder ob im Innern mechanische Spannungen vorliegen.

Laserspot macht Moleküle sichtbar

Bislang sahen sich Forscher wie Michler und seine Kollegin Silke Christiansen vom Max-Planck-Institut in Halle jedoch mit einem Problem konfrontiert. Damit bei der Spektroskopie mechanische Spannungen in kleinsten Bauteilen detektiert werden können, muss lokal der Laserspot verstärkt werden. Dazu dient eine metallische Spitze, hergestellt idealerweise auf den Nanometer genau in der nötigen Größe und Form – bis dato eine technische Unmöglichkeit. Deshalb war die Messung nicht empfindlich genug, um eine Kontrolle der Materialien auf der Nanometerskala zu ermöglichen und feinste Materialfehler zu entdecken.

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Schon seit Jahrzehnten stehen Wissenschaftler vor der Frage: Wie kann man mit Hilfe von Laserstrahlen Moleküle sichtbar machen? Die Wellenlängen des Lichtspektrums von Lasern reichen bis zu einem Mikrometer (oder 1000 Nanometer). Moleküle hingegen sind nur wenige Nanometer groß und können daher von derartigen Lichtwellen nicht einzeln sichtbar gemacht – sprich: aufgelöst – werden. Einen Weg, die Lichtwellen „auszutricksen“, fand 1974 der US-Chemiker Martin Fleischmann, derselbe, der 15 Jahre später behauptete, ihm sei die kalte Kernfusion gelungen. Während die kalte Fusion jedoch nie wiederholt werden konnte und heute als Fälschung gilt, haben seine optischen Experimente unter anderem die Ramanspektroskopie revolutioniert.

Feinheit der Spitze entscheidend

Fleischmann entdeckte, dass eine gold- oder silberbeschichtete runde Spitze das Licht des Laserstrahls effizient in Moleküle oder Kristalle koppeln kann. Dadurch wird die Raman-Methode deutlich empfindlicher; theoretisch lassen sich so selbst einzelne Moleküle nachweisen. In der Praxis ist allerdings bis heute die Feinheit der Spitzen das limitierende Element für eine hohe Auflösung. Das aufgesprühte Gold erstarrt nämlich in den verschiedensten Formen. Dadurch gerät die Spitze jedes Mal ein wenig anders in Größe und Form.

„So eine Spitze schaut unter dem Elektronenmikroskop aus wie das Matterhorn“, sagt Michler. Um aber mit einer räumlichen Präzision im Nanometerbereich zu verfolgen, wie sich beispielsweise ein mikroelektronisches Bauteil im Lauf der Zeit verändert, muss auch die Spitze auf den Nanometer genau identisch sein. Nur dann sind die Messergebnisse vergleichbar.

Silizium-Nanodrähte mit einheitlichen Goldköpfchen

Nun haben Michler und Christiansen eine neue Methode entwickelt, um die Raman-Spitzen zu verfeinern: Auf einer Siliziumplatte züchten sie Silizium-Nanodrähte mit Goldköpfen. Die Nanodrähte wachsen wie die Grashalme eines Rasens. Im Unterschied zu Gras sind sie jedoch nur einige Mikrometer lang, mit Durchmessern von wahlweise 25 bis 500 Nanometern. Das Wichtigste: Alle Drähte haben eine identische, perfekt runde Goldspitze. Keine Spur von Matterhorn. Eher von der Kuppel des Bundeshauses.

Im Elektronenmikroskop wird der Nanodraht dann auf einen Halter geschweisst. „Dadurch sehen wir die Drähte und können genau steuern, wo wir sie absetzen und montieren“, erklärt Stephan Fahlbusch, der Spezialist für Nanowerkzeuge in Michlers Team. Per Joystick fahren er und sein Kollege Samuel Hoffmann den Halter an einen der Nanodrähte heran. Ein knapper Ruck am Joystick und der Draht klebt an der Spitze. Mit einem Elektronenstrahl wird er festgeschweisst. Nun kann Fahlbusch die Spitze für die Nano-Ramanspektroskopie einsetzen.

Wie empfindlich die neue Methode misst, zeigt der Test bei den Kollegen in Halle: Die Spitze wird über eine molekulare Schicht von Malachitgrün gefahren. Obwohl nur einzelne Farbstoffmoleküle auf dem Träger liegen, liefern sie ein eindeutiges Raman-Signal. Damit ist die Auflösung hoch genug, um zum Beispiel Veränderungen der inneren mechanischen Spannungen von Halbleitern zu messen. Diese sind wichtig, da sie auf Defekte und Materialermüdungen hinweisen.

Automatisierung als nächster Schritt

Michlers Methode, Nanospitzen für die Ramanspektroskopie zu produzieren, ist ein gewaltiger Fortschritt – vor allem für das EU- Projekt Nanohand, in dem die Empa seit 2006 gemeinsam mit Partnern aus Frankreich, Deutschland und der Schweiz forscht. Ziel ist die Konstruktion eines Nanoroboters für die Halbleiter-Industrie. Der Roboter soll zukünftig in der Lage sein, miniaturisierte Proben auf einer Plattform im Rasterelektronenmikroskop zu handhaben und die Spitzen ohne menschliche Hilfe herzustellen.

Durch eine automatisierte Herstellung – und die damit verbundenen geringeren Kosten – ließe sich auch das Einsatzgebiet der Nanospitzen erweitern, beispielsweise in der chemischen Analytik. So könnten etwa Kriminalistik oder Krankenhaushygiene vom Potenzial der Nanomanipulation profitieren, wenn in Zukunft ein einzelnes Kokainmolekül auf der Jacke den Verdächtigen überführt oder ein einzelnes todbringendes Bakterium die lebensrettende Quarantäne auslöst.

(idw – Empa. Materialforschung und Technologie, 16.05.2007 – DLO)

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