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Zoologie

Fledermäuse sorgen für Wirbel

Komplexe Aerodynamik des Fledermausflügels aufgeklärt

Die Aerodynamik des Fledermausflugs war bislang noch weitgehend unerforscht. Nun haben jedoch Wissenschaftler herausgefunden, dass diese viel komplexer ist als bei vergleichbar kleinen Vögeln. Sie analysierten dazu die Strömungen und Wirbel, welche sich während des Flügelschlags an den Membranschwingen kleiner Blütenfledermäuse bilden. Wie die Biologen in der aktuellen Ausgabe von Science berichten, sind die neuen Erkenntnisse auch für den Flugzeugbau von Interesse: Denn aus den Resultaten lassen sich unter Umständen Prinzipien für den Bau besonders wendiger Flieger ableiten.

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Während die Flügel von Vögeln in sich vergleichsweise starr sind und nur wenige Bewegungen ausführen können, hat die Natur die Fledermäuse mit elastischen und äußerst flexiblen Membranflügeln ausgestattet. So können Fledermäuse optimal schwierige Manöver ausführen, indem sie unter anderem die Krümmung und die Kammerung der Flügel kontrollieren. Man kann sich den Flügel wie eine Hand mit Häuten zwischen den einzelnen Fingern vorstellen, bei der sich durch Spreizen, Anheben oder Senken der Finger die Oberfläche variieren lässt. „Aerodynamisch aktiv“ nennen Ingenieure und Biologen eine an die Dynamik des Fliegens so gut angepasste Flughaut.

Wirbelschleppen im Windkanal analysiert

York Winter, Professor an der Universität Bielefeld, hat am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen zusammen mit Wissenschaftlern der Universitäten München und Lund (Schweden) sowie US-amerikanischen Ingenieuren den „aerodynamischen Fußabdruck“ einer kleinen Blütenfledermaus, der Glossophaga soricina, analysiert: „Die Fledermaus hinterlässt in dem Luftvolumen, das sie durchfliegt, charakteristische Wirbel und Strömungen“, erklärt Winter. „Im Windkanal können wir diese Wirbelschleppen im Detail analysieren und aus der Topologie der Strömungen berechnen, welche Flügelbewegungen für Schub und Auftrieb beim Fliegen sorgen.“

Die in Süd- und Mittelamerika beheimateten Tiere wurden im Windkanal in Seewiesen trainiert. „Für die Messungen ist es besonders wichtig, dass die Tiere stationär fliegen, das heißt relativ zum Windkanal an derselben Position verbleiben, während die Luft an ihnen vorbeiströmt“, betont Winter. Die Blütenfledermäuse erwiesen sich dabei als besonders geeignet: Glossophaga ernährt sich von Blütennektar, den sie ähnlich wie Kolibris im Flug aus den Blütenkelchen leckt. Die Biologen lockten die Tiere mit einem künstlichen Blütenkelch – einem dünnen, mit verdünntem Honig gefüllten Röhrchen, das sie im Windkanal befestigten. „Während die Fledermäuse von dem Honig naschen, fliegen sie mehrere Sekunden lang auf der Stelle, so dass die Wirbelschleppe über mehrere Flügelschläge hinweg genau beobachtet werden kann“, so Winter.

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Komplexes aerodynamisches Zusammenspiel

Die Versuche zeigten, dass die Aerodynamik des Fledermausflugs viel komplexer ist als erwartet: Bei jedem Flügelschlag – und zwar bei Auf- und bei Abschlag – bilden sich Wirbel, die an der Flügelspitze eine andere Charakteristik aufweisen als im Bereich der Flügelmitte. Beim Aufschlag rotieren die Wirbel in der Flügelmitte und an der Flügelspitze in entgegen gesetzte Richtung und führen zu einer Auftriebskraft am Körper und einer Abtriebskraft an den Flügelspitzen.

Für ihre systematische Analyse verwendeten Winter und seine Kollegen die Methode der Digital Particle Image Velocimetry (DPIV). Dabei wird die Strömung in einer Ebene mit kurzen Laserblitzen durchleuchtet. Feine, kaum sichtbare Staubpartikel, die die Forscher der Luft zusetzen, reflektieren diese Lichtblitze und machen so die Wirbel sichtbar. Aus den Reflexionsbildern zweier aufeinanderfolgender Blitze rekonstruierten die Wissenschaftler die Geschwindigkeit der einzelnen Partikel – und erhielten so die Topologie der Wirbelströmungen. Diese Messungen wurden in Lund durchgeführt. Dank der hohen räumlichen Auflösung der Geräte dort konnten die vom Flügelschlag der Fledermaus erzeugten Wirbel erstmals detailliert abgebildet werden.

Die Ergebnisse des Forscherteams führen zu neuen und unerwarteten Einblicken in die Physik des Tierflugs. Winter ist überzeugt, dass sich diese Resultate auch technisch ausnutzen lassen: „Ingenieuren könnte das neue Ideen liefern, wie man auch in schwierigen Situationen mit möglichst wenig Kraft Auftrieb erzeugt.“

(Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., 11.05.2007 – AHE)

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