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Medizin

Krebsgen gegen Parkinson

Erfolge bei der Konzeptentwicklung zur Therapie der Parkinsonschen Krankheit

Das Krebsgen Ras könnte bei der Entwicklung von Therapien gegen die Parkinson-Krankheit helfen. Denn da es während der embryonalen Entwicklung das Absterben von Nervenzellen verhindern kann, arbeiten Forscher daran, das Potenzial des Gens auch bei neurodegenerativen Erkrankungen einzusetzen. Nun ist es erstmals gelungen, aus genetisch veränderten Vorläuferzellen Neurone zu züchten, die das Ras produzieren. Diese sind sogar vor dem Absterben geschützt und bilden keine Tumore. Über ihre Erfolge berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe des European Journal of Neuroscience.

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Bei Parkinson-Patienten degenerieren Nervenzellen in einer bestimmten Gehirnregion, der substantia nigra. Diese stellen eigentlich den Neurotransmitter Dopamin und sind Teil eines Schaltkreises zur Bewegungskontrolle. Folgen des Absterbens der dopaminergen Neurone sind typische Störungen: Muskelzittern, Muskelstarre und Bewegungsarmut, die bis zur Bewegungsunfähigkeit führen kann. Bisher ist lediglich eine weitgehende Linderung der Symptome möglich, nicht jedoch eine Heilung der Krankheit.

Bei den meisten Patienten tritt die Krankheit spontan auf, mit noch unbekannter Ursache. Bei einer geringen Anzahl von Patienten ist die Parkinsonsche Krankheit mit einer Mutation in bestimmten Genen gekoppelt. „Eine Hoffnung auf Heilung besteht in der Entwicklung einer geeigneten Zelltherapie“, erklärt Rolf Heumann vom Lehrstuhl für Molekulare Neurobiochemie der Ruhr-Universität Bochum. „Neben der Erzeugung oder Transplantation von geeigneten Zellen ist auch deren funktionelle Integration in den Organismus notwendig.“

Krebsgen schützt Neurone vor dem Absterben

Frühere Untersuchungen der RUB-Forscher haben ergeben, dass Ras -ein bekanntes Krebsgen – das Absterben von Neuronen während der Embryonalentwicklung verhindert und in differenzierten Neuronen keine Tumorentwicklung mehr verursacht. Ausgehend von dieser Beobachtung untersuchen sie nun, ob diese durch Ras in Neuronen ausgeübte Schutzwirkung auch bei neurodegenerativen Krankheiten, wie zum Beispiel der Parkinsonschen Krankheit von therapeutischer Bedeutung sein kann.

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Mehr dopaminerge Neurone, die weniger empfindlich sind

Bisherige Zelltherapiekonzepte der Transplantation von embryonalen dopaminergen Neuronen scheitern außer an ethischen auch an zellbiologisch/medizinischen Problemen: Embryonale dopaminerge Neurone sind sehr empfindlich und sterben bei Transplantation bis zu 90 Prozent ab. „Ein alternatives Konzept schlägt die Verwendung von embryonalen Stammzellen vor“, erläutert Heumann, „diese sind aber ebenfalls ungeeignet, da sie nach der Transplantation Tumore bilden.“ Statt der problematischen embryonalen Stammzellen verwenden die RUB-Forscher daher Kulturen von neuronalen Vorläuferzellen, die aus einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium stammen und nach Transplantation keine Tumoren mehr bilden.

„Der entscheidende Punkt ist, dass die von uns verwendeten Vorläuferzellen genetisch verändert sind, so dass sie erst nach Differenzierung in Neurone das Ras- Krebsgen herstellen“, so Heumann. Bei der Ausdifferenzierung der Vorläuferzellkulturen entstehen verschiedene Typen von Neuronen in großer Zahl, die zwar alle das Ras-Krebsgen produzieren, sich aber nicht mehr teilen können. Die Ergebnisse, die aus diesen Kulturen gewonnen wurden, sind in doppelter Hinsicht viel versprechend: Erstens kann durch den Einfluss des Ras-Krebsgens eine erhöhte Anzahl der erwünschten dopaminergen Neurone erzielt werden, und zweitens sind die so entstandenen dopaminergen Neurone deutlich weniger empfindlich gegenüber spontan auftretender oder durch toxischen Einwirkung verursachter Degeneration.

Zugrunde liegender Mechanismus

Auf der Suche nach dem zugrunde liegenden Mechanismus fanden die Wissenschaftler Transkriptionsfaktoren, die allgemein eine Überschreibung bestimmter Gene in die mRNA bewirken. Das Ras-Krebsgen aktiviert den MAPKinase-Signalweg, der die Übertragung einer Phosphatgruppe auf einen bestimmten Transkriptionsfaktor, CREB (cyclic AMP responsive element binding protein,) erhöht. CREB reagiert im Zellkern mit einer Kontrollregion der DNS. Dadurch wird die mRNA und nachfolgend die Proteinsynthese eines weiteren Transkriptionsfaktors (Nurr1) erhöht. Dieser bewirkt die verstärkte Bildung der dopaminergen Neurone und damit die erhöhte Synthese des gewünschten Neurotransmitters Dopamin.

Selbstzerstörung von Nervenzellen wird gestoppt

Im nächsten Schritt untersuchten die Forscher, warum dopaminerge Neurone durch Ras-Aktivität stabilisiert werden und wesentlich weniger leicht degenerieren: Das Ras-Krebsgen aktiviert neben dem oben erwähnten MAPKinase Signalweg auch eine andere Signalkaskade, den so genannten PI3K-Weg. Diese Signalkaskade verursacht an der Innenseite der Zellmembran eine Übertragung von Phosphatgruppen auf bestimmte Fettsäuren. Dadurch können an der inneren Zellmembran neue Signalkomplexe gebildet werden, die letztlich ein Protein phosphorylieren, das Bad genannt wird. Dieses Bad-Protein ist Teil eines von der Zelle gesteuerten Selbstzerstörungsprogramms (Apoptose). Bad kann die Energiefabriken der Zelle, die Mitochondrien, durchlöchern. Wird jedoch eine Phosphatgruppe auf das Bad-Protein übertragen, so wird es von einem anderen Protein erkannt, gebunden und unwirksam gemacht.

Neue Nervenzellen bilden Netzwerke aus

Auch bei der Integration der neu gebildeten dopaminergen Neurone sind die RUB-Forscher einen weiteren Schritt vorangekommen: Mit elektrophysiologischen Methoden konnten sie zeigen, dass die neu gebildeten dopaminergen Neurone in Kultur synaptisch verschaltete neuronale Netze ausbilden. „Ein neues Konzept zur Therapie der Parkinson-Erkrankung ist damit leider trotzdem noch nicht in Aussicht gestellt“, dämpft Heumann vorschnelle Erwartungen.

„Zwar tritt die Apoptose auch bei dopaminergen Neuronen von Parkinson-Patienten auf und kann also möglicherweise durch die neuronale Aktivierung des Ras-Krebsgens vermindert werden. Aber für die konkrete therapeutische Anwendung des Ras-Krebsgens bei Neurodegenerativen Krankheiten sind noch eine Anzahl von ungelösten Fragen zu klären, insbesondere die zellspezifische Aktivierung von Ras in Neuronen.“ Immerhin ließen sich auf Basis der Erkenntnisse neue Methoden weiterentwickeln, wie die therapeutische Einbringung von wirksamen Proteinen in Neurone oder eine zeitlich begrenzte pharmakologische Stimulierung von neuronaler Ras-Aktivität bei Störungen von Gehirnfunktionen.

(idw – Ruhr-Universität Bochum, 10.05.2007 – AHE)

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