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Medizintechnik

Virtuelle Realität hilft bei Schleudertrauma

Computer verbessern Diagnose und Therapie bei Schleudertrauma der Halswirbelsäule deutlich

Schleudertrauma - Untersuchung per Datenbrille © idw - Technische Universität Darmstadt

Das Schleudertrauma, eine Verletzung der Halswirbelsäule, tritt typischerweise nach Auffahrunfällen auf. Eine objektive Diagnose zu stellen, ist schwierig, denn bislang können nur Schädigungen der Halswirbel bildhaft dargestellt werden. Doch das könnte sich nun ändern. Denn Forscher haben ein virtuelles System entwickelt, mit dem sich die Verletzungen an der Halsmuskulatur verlässlich messen lassen.

Die Diagnose Schleudertrauma kann der Arzt bislang nur aufgrund der Schilderung des Unfallhergangs und der Beschwerden des Patienten stellen. Weiteres Kriterium ist eine eingeschränkte Beweglichkeit des Kopfes und Kraftlosigkeit in Armen und Händen. Als weltweit erste Forschergruppe haben das Uniklinikum Ulm, die TU Darmstadt, das Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) und PolyDimensions GmbH mit Hilfe einer so genannten Datenbrille eine Möglichkeit gefunden, die Diagnose zu objektivieren.

Datenbrille schafft Klarheit

Dazu wird der Patient über die „Brille“ in eine virtuelle Realität (VR) versetzt, in der sich ein Objekt, beispielsweise die Erde im Weltall, bewegt. Der Brillenträger hat die Aufgabe, den Kopf so zu bewegen, dass das Fadenkreuz vor seinen Augen auf dem Zielobjekt bleibt. Der Patient wird also durch die Bewegung geführt, wobei gleichzeitig die Muskelspannung gemessen wird. Im Falle eines Schleudertraumas verkrampfen die Muskeln in einer Art Schutzmechanismus, der die Beweglichkeit der Halswirbelsäule einschränkt. Um die Muskelfunktion messen zu können, werden zwei dünne Drähte in einer Hohlnadel links und rechts von der Halswirbelsäule eingeführt.

„Die Schmerzen entsprechen in etwa dem Einstechen von Akupunktur-Nadeln“, versichert Rettig, „sie sind also durchaus zu ertragen.“ Über die Spannungsmessung erkennt der Arzt, wann genau sich ein Muskel verkrampft und kann sehr genau bestimmen, wie weit die Beweglichkeit eingeschränkt ist.

Ein weiterer Vorteil der Datenbrille: Die Patienten verlieren für den Zeitraum der Untersuchung den Bezug zur realen Welt. Sie können nicht mehr einschätzen, wie weit sie ihren Kopf drehen, weil sie keine realen Bezugssysteme mehr haben. Das wiederum führt dazu, dass sie nicht bewusst entscheiden können, wie weit sie den Kopf drehen. An Frühverrentung Interessierte haben also keine Möglichkeit mehr, das Ergebnis der Untersuchung in ihrem Sinne zu beeinflussen, indem sie eine eingeschränkte Bewegungsfähigkeit vortäuschen.

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Therapieerfolge steigen deutlich

Doch das System kann noch mehr. Das Team aus Medizinern und Entwicklern hat einen Prototypen geschaffen, der auch in der Therapie eingesetzt werden kann. Hierfür müssen den Betroffenen keine Drähte gesetzt werden. Sie müssen lediglich die Brille aufsetzen und einen Helm. An dem Helm befinden sich Motoren, die Druck auf den Kopf ausüben, gegen den der Patient angehen muss. Indem er die durch die Brille vorgegebenen Kopfbewegungen gegen einen Widerstand ausübt, trainiert er seine Muskeln. Durch die Übungen wird der Muskelaufbau gefördert und damit die Halswirbelsäule gestärkt.

„Das ist letztendlich der gleiche Ansatz wie bei der Physiotherapie – nur wesentlich effizienter“, berichtet Dr. Michael Kramer vom Uniklinikum Ulm. „Das haben unsere Studien ergeben.“ „Noch ist die Therapie-Einheit nicht serienreif. Der Prototyp ist noch nicht stabil genug für den Dauereinsatz“, betont der Mathematiker Rettig. Doch das soll sich bis zum Ende des Projektes im Februar 2008 ändern. Danach wollen die Forscher das System zur Serienreife bringen und ihre eigene Firma gründen. Bedarf an dem System herrscht in jedem Fall.

(idw – Technische Universität Darmstadt, 09.05.2007 – AHE)

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