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Genetik

Wanderführer für Chromosomen

Protein vermittelt bei der Teilung zwischen Innen- und Außenseite der Kernmembran

Bevor Samen- und Eizelle sich vereinen und damit den Grundstein für neues Leben legen können, müssen sie in einem komplizierten Prozess ihren Chromosomensatz halbieren. Wie die Zellen diesen Akt organisieren, ist auf molekularbiologischer Ebene noch in weiten Teilen unklar. Nun ist es allerdings Würzburger Biologen gelungen, ein Protein zu identifizieren, das dabei eine wichtige Rolle spielt. Über ihre Entdeckung berichtet die Fachzeitschrift PNAS in ihrer neuesten Ausgabe.

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Wenn Samen- und Eizellen im Laufe der so genannten Reifeteilung ihren Chromosomensatz halbieren, läuft im Inneren des Zellkerns ein exakt choreographierter Tanz ab, in dessen Verlauf sich die Träger des genetischen Materials gegenseitig erkennen, zu Paaren anordnen und auf die verschiedenen Tochterkerne verteilen. Wie sie das schaffen, ist bis heute noch weitgehend ungeklärt. „Man weiß zwar, dass dieser Prozess abläuft, aber nicht, wie er gesteuert wird“, sagt Manfred Alsheimer vom Lehrstuhl für Zell- und Entwicklungsbiologie der Universität Würzburg.

Verbindung zwischen Kern und Plasma?

„Die Chromosomen heften sich zu Beginn der Teilung mit ihren Enden, den so genannten Telomeren, an die Kernhülle an und wandern alle an eine bestimmten Stelle“, erklärt Alsheimer. Diese Bewegung findet sich in allen Lebewesen, deren Zellen einen Kern besitzen; und sie ist das einzige Beispiel für eine strukturelle Verbindung zwischen Chromosomen und der Kernhülle. Schon seit geraumer Zeit bestand deshalb der Verdacht, dass in dieser Phase eine Verbindung zwischen Kerninnerem und dem umgebenden Zellplasma existiert. „Man geht daher seit langem davon aus, dass die Chromosomen von außen dirigiert werden“, sagt Alsheimer.

Tatsächlich konnten die Forscher vom Biozentrum jetzt gemeinsam mit Kollegen aus Schweden und den USA nachweisen, dass die Telomere an ein ganz bestimmtes Protein andocken, das in der Lage ist, eine strukturelle Verbindung zwischen der Innen- und der Außenseite der Kernmembran zu vermitteln. Damit scheint sich der Verdacht zu bestätigen, dass die Paarung und Trennung der Chromosomen tatsächlich aus dem Cytoplasma heraus, das den Kern umgibt, gesteuert wird.

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Ansatzpunkt für weitere Forschungen

Das Wissen um das Geschehen im Zellkern ist damit wieder um ein Detail reicher. Zwar steht die Suche nach Erklärungen für die chromosomalen Bewegungen im Großen und Ganzen noch in den Anfängen. Aber: „Unsere Arbeit gibt nun einen ersten Hinweis auf den Mechanismus. Darüber hinaus bieten unsere Ergebnisse eine sehr gute Ausgangsbasis um die komplexen Hintergründe zu entwirren und somit den Prozess der Paarung der Chromosomen besser verstehen zu lernen“, sagt Alsheimer. Das sei wohl auch ein Grund, weshalb seine Publikation von Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) angenommen wurde.

Für die Suche nach der Ursache von Unfruchtbarkeit könnte das Ergebnis ebenfalls von Bedeutung sein. Und für die Behandlung: „Gerade vor einer künstlichen Befruchtung, ist es wichtig, dass man die Chancen diagnostisch abklärt“, sagt Alsheimer. Dazu gehöre auch die Frage, ob möglicherweise Störungen auf molekularer Ebene, die auf einen genetischen Defekt zurückgehen, verantwortlich sind für fehlgebildete Spermien. Denn wenn sich die Chromosomen ungleich auf die Tochterzellen verteilen, führt dies fast immer zu Fehlbildungen, wie zum Beispiel beim Down-Syndrom, oder zu gar nicht erst lebensfähigen Embryos.

In Zukunft werden Alsheimer und sein Würzburger Team gemeinsam mit Forschern aus England das neu identifizierte Protein intensiver untersuchen: „Wir wollen die Funktionalität des Proteins definieren“, sagt er. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, was passiert, wenn das Molekül komplett fehlt. Darüber hinaus werden sie auch einen Blick auf ähnliche Proteine aus der gleichen Familie werfen, von denen eines ganz besonders interessant erscheint. Von dem ist zwar aus der Untersuchung des Genoms bekannt, dass es existieren müsste; in einer Zelle gefunden haben es die Wissenschaftler bis heute jedoch noch nicht. „Es ist wahrscheinlich, dass es sich um ein keimzellspezifisches Protein handelt“, sagt Alsheimer. Aber wann und wo es seinen Auftrag erfüllt, ist völlig offen.

(idw – Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 08.05.2007 – AHE)

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