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Botanik

Pflanzen: Es geht auch (fast) ohne Männchen

Doppelte Befruchtung bei Blütenpflanzen umgangen

Dieser nach einfacher Befruchtung erzeugte Same (Embryo hellrot, Nährgewebe dunkelrot) von der Ackerschmalwand ist zwar etwas kleiner als der Wildtyp-Samen, aber er zeigt qualitativ alle Merkmale eines typischen Samen, was die Wissenschaftler anhand sogenannter Differenzierungsmarker feststellen können. © Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Arp Schnittger

Blütenpflanzen haben einen komplizierten Befruchtungsmechanismus: die doppelte Befruchtung. Hierbei entstehen ein Embryo und ein Nährgewebe, das Endosperm. Jetzt haben Wissenschaftler jedoch herausgefunden, dass die doppelte Befruchtung auch umgangen werden kann. Wie sie in „Nature“ berichten, reicht eine einfache Befruchtung aus, um einen lebensfähigen Embryo zu bilden, der sich dann zu einer fruchtbaren Pflanze weiterentwickelt.

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250.000 verschiedene Arten von Blütenpflanzen gibt es. Charakteristisch für die Blütenpflanzen – und wahrscheinlich einer der Gründe für ihre weite Verbreitung – ist die doppelte Befruchtung. Im Gegensatz zur einfachen Befruchtung, wie beispielsweise beim Menschen, verschmelzen bei den Blütenpflanzen jeweils zwei weibliche und zwei männliche Keimzellen. Dabei entstehen auch zwei Befruchtungsprodukte: Aus dem ersten entwickelt sich der Embryo, der zur Pflanze heranwächst, und aus dem zweiten geht ein Nährgewebe hervor, Endosperm genannt. Es ist Nahrungsquelle für den Embryo. Die Bildung des Endosperms ist einzigartig im Pflanzenreich, ihr Ursprung ist bis heute jedoch nicht geklärt.

Embryo rein mütterlich

Forscher des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung Köln um Arp Schnittger und Kollegen von den Universitäten Köln, Bonn und Oslo fanden einen Weg, wie sie die doppelte Befruchtung experimentell umgehen konnten und erhielten tatsächlich nach einfacher Befruchtung einen lebensfähigen Embryo, der während seiner Reifung von einem Endosperm ernährt wird, welches nun aber rein mütterlichen Ursprungs ist.

Damit konnten die Wissenschaftler Beweise für eine über 100 Jahre alte Hypothese des Bonner Botanikers Eduard Strasburger erbringen. Strasburger war aufgrund mikroskopischer Beobachtungen zu der Annahme gekommen, dass sich das Endosperm ursprünglich aus dem mütterlichen Gewebe entwickelt hat, und dass das Wachstum dieses Gewebes durch die doppelte Befruchtung nur angeregt wird.

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Wozu noch die Männchen?

Doch welche Rolle spielt die männliche Keimzelle dann bei der Entwicklung des Endosperms, wenn man die doppelte Befruchtung einfach umgehen kann und trotzdem einen gesunden Embryo erhält? „Bei der Fortpflanzung werden zusätzliche Informationen an die Nachkommen weitergegeben, die nicht in der DNA-Sequenz ‚beschrieben’, sondern durch strukturelle Merkmale der Chromosomen oder der DNA bedingt sind“, erklärt Arp Schnittger. Diese so genannte epigenetische Information reguliert hauptsächlich das Ablesen der Gene, die Genexpression. Im Falle der doppelten Befruchtung bei Blütenpflanzen ist es insbesondere der Befehl der männlichen Keimzelle zum vermehrten Wachstum des Endosperms.

Eine besondere Art der epigentischen Regulation führt dazu, dass bestimmte Gene in den Nachkommen unterschiedlich stark exprimiert werden – je nachdem, ob eine Kopie des Gens von der Mutter oder vom Vater kommt. Dieses Phänomen wird als Imprinting bezeichnet und existiert nicht nur bei Blütenpflanzen, sondern auch beim Menschen. Imprinting ist auch bei Säugetieren wichtig für die Regulation des embryonalen Wachstums. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass bei Pflanzen das Imprinting an sich nicht notwendig ist, wenn man das mütterliche und das väterliche Genom neutralisiert“, sagt Schnittger. Und er fügt hinzu: „Eine spannende Hypothese ist nun, dass möglicherweise das Gleiche auch für Säugetiere zutrifft.“

(MPG, 02.05.2007 – NPO)

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