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Genetik

Keine Chance gegen den Krebs?

Provokante These sieht Krebs als logische Folge und Strategie unserer Gene

Kosten und Nutzen der DNA-Reparatur können nach Breivik als alternative Strategien auf einer Auto-Rennbahn angesehen werden: Der grüne Wagen hält immer für Reparaturen an, unabhängig davon, wie gut oder schlecht die Umweltverhältnisse sind, der rote Wagen dagegen ignoriert alle Warnlichter. Wer überlebt unter welchen Umständen besser? © Universität Oslo

Werden wir irgendwann einmal den Krebs besiegen können? Möglicherweise nein. Ein norwegischer Forscher hat jetzt die provokante These aufgestellt, dass Krebs eine natürliche Folge unserer genetischen „Machart“ ist – und daher wahrscheinlich niemals endgültig besiegt werden kann.

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Unsere Gene haben sich nicht entwickelt, um uns ein glückliches und langes Leben zu ermöglichen. Ihr Ziel ist ein ganz anderes: Sie sind dafür optimiert, sich selbst in die nöchste Generation zu kopieren – unabhängig von unseren persönlichen Wünschen und Befindlichkeiten. Diese extrem genzentrierte These vertritt Jarle Breivik, Professor für Medizin an der Universität Oslo. Seiner Ansicht nach ist eine Menschheit ohne Krebs daher nicht möglich.

”Krebs ist eine fundamentale Konsequenz der Art, wie wir gemacht sind”, erklärt der Forscher. “Wir sind temporäre Kolonien, die unsere Gene erzeugt haben, um sich selbst in die nächste Generation fortzupflanzen. Eine ultimative Lösung gegen den Krebs gäbe es nur, wenn wir unsere gesamte Reproduktion umstellen würden.“

Reparaturmechanismen nur da, wo es sich „lohnt“

Den Anstoß für seine These gab seine Erforschung der Verbindung zwischen den Reparaturmechanismen der DNA und der Krebsentstehung. Es zeigte sich dabei, dass die Reparatur fehlerhaft kopierter Erbsubstanz vom Körper zwar meist durchgeführt wird, in einigen Fällen aber unterbleibt – und dies erstaunlicherweise oft in den Körperregionen, die schädlichen Umwelteinfküssen und damit auch Mutationen am stärksten ausgesetzt sind.

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Breivik vergleicht diese scheinbar paradoxe Reaktion des Körpers mit einem Autorennen: „Die Entscheidung, wann es sinnvoll ist, für Reparaturen anzuhalten und wann man lieber weiterfährt, ist eine Herausforderung”, so Breivik. „Die Reparaturen stellen zwar ein optimiertes Fahrzeug sicher, sie fressen aber auch Zeit und Ressourcen. Auf den ersten Blick scheint es offensichtlich, dass ein schädlicheres Umfeld auch mehr Reparaturen bedingt. Aber paradoxerweise könnte der Effekt auch genau entgegengesetzt sein: Wenn sie sich vorstellen, durch einen Kugelhagel zu fahrten, könnte das Anhalten für Reparaturen eine fatale Strategie sein. Dann ist es besser weiterzufahren, selbst mit platten Reifen und einem rauchenden Motor.“

Diese Allegorie erklärt möglicherweise, warum instabile Krebszellen in eher destruktiven Umgebungen wie beispielsweise einer Raucherlunge erfolgreicher sind. Sie wachsen einfach weiter, egal was um sie herum geschicht. „Zellen, die Karzinogenen ausgesetzt sind, sterben, wenn sie einen entsprechenden Kontrollmechanismus haben“, erklärt Breivik. „Die genetisch instabilen Krebszellen aber wachsen.“ Inzwischen haben mathematische Modelle und Zellkulturen dieses Verhalten der Zellen bestätigt.

Nach der Lebensmitte entbehrlich?

Aber warum konnte sich ein solches vermeintlich selbstzerstörerisches Modell überhaupt durchsetzen? Warum setzt der Körper nicht alles darn, immer alle Mutationen zu beseitigen? Für Breivik ist dies der Tatsache zu verdanken, dass die natürliche Selektion darauf hinwirkt, bestimmte Gene in einer bestimmten Umwelt zu bevorzugen. Unser Körper aber ist – zumindest für Breivik – nichts weiter als eine Kolonie oder Hülle vieler einzelner Gene – und damit aus ihrer Sicht eher entbehrlich, sobal sie ihren Fortbestand in der nächsten Generation gesichert haben. Das bedeutet im Klartext, dass die Kontroll- und Reparaturmechanismen besonders in der ersten Lebenshälfte effektiv arbeiten und uns gegen Krebs schützen, dann aber, in höherem Lebensalter, heruntergefahren werden.

„Wir sehen dass die Reparaturgene instabile DNA enthalten, die die Wahrscheinlichkeit für ihr Versagen im Laufe der Zeit erhöhen. Diese Sequnezeesind quasi Zeitbomben in unseren Organismus und erscheinen paradox, wenn wir von dem ausgehen, was das Beste für unseren Organismus ist“, so Breivik. „Wenn wir aber die Perpektive der Gene einnehmen, ist das Phänomen sehr logisch.”

Keine Chance auf eine endgültige Lösung

Trotz einiger Fortschritte in der Krebstherapie zeigt die statische Kurve der Krebsfälle nach oben. “Je besser wir in der Behandlung des Krebses werden, desto älter werden wir und desto mehr Krebs wird es in der Popoulation geben“, so Breivik. „Gleichzeitig bewirken bessere Therapien für Kinder und junge Leute, dass mehr Krebsgene an die nächste Generation weiter gegeben werden können. Von dem, was wir über die Dynamik der Evolution wissen, halte ich es für unmöglich, dass wir eine endgültige therapeutische Lösung gegen Krebs finden werden. Denn das grundlegende Problem ist, dass wir in einem Körper stecken, den unsere Gene eher als Wegwerfhülle erzeugt haben.“

(Universität Oslo, 17.04.2007 – NPO)

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