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Elektrischer Strom aus der Tiefe

"Überkritisches Wasser" von über 500 °C könnte Stromausbeute vervielfachen

Luftaufnahme des geothermischen Kraftwerks bei Krafla im Norden Islands. In der Ebene im Bildvordergrund soll die erste Tiefbohrung in überkritisches Wasser gebohrt werden. Hier liegt eine Magmenkammer in nur etwa 4 km Tiefe. © Emil Thor

Island ist reich an regenerativer Energie: Geothermische Kraftwerke erzeugen nicht nur Strom, sondern auch heißes Wasser für öffentliche Bäder, Heizungen und private Haushalte. Selbst Parkplätze und Bürgersteige werden in der isländischen Hauptstadt Reykjavik auf diese Weise im Winter schnee- und eisfrei gehalten. Doch damit nicht genug. Nun wollen Wissenschaftler mit Hilfe einer Forschungsbohrung rund 500 °C heißes Tiefenwasser anzapfen. Dieses so genannte überkritische Wasser könnte eine bis zu zehnmal höhere Stromausbeute liefern als herkömmliche geothermische Kraftwerke auf Island.

Das Land ist so reich an Untergrundwärme, weil es auf dem aktiven mittelatlantischen Rücken liegt. Dieser magmatische Rücken durchzieht den gesamten Atlantik wie ein riesiger untermeerischer Gebirgszug. Ständig aus dem Erdmantel aufdringendes frisches Magma schiebt hier den Ozeanboden auseinander – jährlich wird der Atlantik so durchschnittlich um vier Zentimeter breiter. Nur an wenigen Stellen erhebt sich der Rücken über die Wasseroberfläche und bildet eine Insel, wie zum Beispiel Island. Unter der Insel herrschen daher schon in zwei bis drei Kilometern Tiefe Temperaturen um 250 °C. Die reichlichen Niederschläge versickern durch zahllose Spalten und Risse in tiefere Gesteinsformationen und werden dort stark erhitzt – ideale Bedingungen für eine geothermische Nutzung.

Mit heutiger Standardbohrtechnik lassen sich die immer wieder nachgefüllten geothermischen Reservoire aufschließen und gewinnen. Vereinfacht gesagt wird dazu nur eine Generatorturbine oben an den Bohrlochkopf angeschlossen und von dem mit Überdruck entweichenden Dampf angetrieben. Die großen geothermischen Kraftwerke auf Island versorgen auch heute schon drei energiehungrige Aluminiumhüttenwerke und machen damit Island zum weltgrößten Aluminiumexporteur – für einen direkten Export des Stroms ist die Insel allerdings zu abgelegen von Industrie- und Siedlungszentren.

Überkritisches Wasser: weder flüssig noch gasförmig

Der Prinzipschnitt durch eine tiefe Magmenkammer (rot) zeigt, wie Regenwasser absinkt und aufgeheizt wird. Eine Bohrung von etwa 5 km Tiefe schließt dieses hochenergetische Reservoir (orange Grenze) auf und erlaubt überkritische Fluide zu fördern. © IDDP

In naher Zukunft möchte ein internationales Konsortium von Wissenschaftlern unter der Federführung des am GeoForschungsZentrum Potsdam koordinierten Internationalen Kontinentalen Forschungsbohrprogramms ICDP eine noch viel ergiebigere Quelle auf Island erschließen: überkritisches Wasser. Die geplanten Tiefenbohrungen sollen in vier bis fünf Kilometern Tiefe auf salzhaltige Wässer mit Temperaturen um 500 °C vorstoßen. Ab einer Temperatur von über 374 °C und bei einem Druck von 221 bar (diese Werte sind bei salzhaltigen Tiefenwässern etwas höher) zeigt reines Wasser keinen Unterschied mehr zwischen flüssig oder gasförmig – die Siedekurve endet im „kritischen Punkt“. Dieser Aggregatzustand wird überkritisch genannt. Das Besondere: Auf Grund der extrem hohen Wasserdampfausbeute könnte aus überkritischem Wasser im Vergleich zu normalen isländischen Geothermiekraftwerken eine bis zu zehnmal höhere Menge an Strom gewonnen werden.

Die auf Island geplanten Bohrungen und Experimente sollen dieses bislang nur aus dem Großkraftwerksbetrieb bekannte Phänomen erstmalig in der Natur testen. Das Wissenschaftlerteam bereitet – von isländischen Energiefirmen und Behörden unterstützt – zurzeit die erste Bohrung zur Gewinnung überkritischen Wassers vor. Techniker und Wissenschaftler sind aber nicht nur daran interessiert, den „unterkritischen“ Bereich zu überwinden und überkritisches Wasser aus der Tiefe zu holen. Vielmehr soll ein kontinuierlicher Bohrkern unterhalb drei Kilometer Tiefe bis zur Bohrlochsohle gewonnen werden, um die Wechselwirkungsprozesse zwischen heißem vulkanischem Gestein und Wasser zu erforschen.

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Wie bilden sich mineralische Lagerstätten?

Rohrleitungen befördern Heißdampf auf Island von mehreren Bohrungen zu Kraftwerken. © Thomas Wöhrl, GFZ Potsdam

Denn mit zunehmender Temperatur intensivieren sich die Austauschprozesse zwischen Gestein und Lösungen, die zum Beispiel für die Bildung von vielen mineralischen Lagerstätten verantwortlich sind. Überkritische Lösungen transportieren dabei nicht nur Wärme aus dem Gestein, sondern lösen auch große Mengen von Metallen, transportieren diese und scheiden sie nach Abkühlung unter bestimmten Bedingungen wieder ab, jetzt aber oft in konzentrierter Form. Gleichzeitig verändert sich das ausgelaugte Gestein in seinem Mineralbestand und Gefüge. Ein wesentlicher Teil der in den überkritischen Wässern gelösten Gase stammen direkt aus dem kristallisierenden Magma und geben den Wissenschaftlern wichtige Hinweise auf dessen Herkunft und Entwicklung.

Sollten die ersten Experimente in den Jahren 2007 und 2008 erfolgreich verlaufen, werden die Geowissenschaften ein völlig neues Untertagelaboratorium zur Verfügung haben, in dem Wasser-Gestein-Wechselwirkungen direkt beobachtet werden können. Damit könnten die Bedingungen für die Nutzung regenerativer Energiequellen in vulkanischen Regionen verbessert und die Entwicklung von Erzlagerstätten untersucht werden. Die Vulkaninsel Island bietet hierfür das ideale Umfeld.

Internationale Zusammenarbeit

Die geplanten Kernbohrungen werden vom ICDP zusammen mit der US National Science Foundation gefördert und mithilfe einer Reihe von technisch-wissenschaftlicher Maßnahmen unterstützt. Das vom GeoForschungsZentrum Potsdam geführte ICDP unterstützt internationale Forschungsinitiativen, die Bohrungen für ihre Untersuchungen dringend benötigen. Die wissenschaftlichen Hauptthemen der vom ICDP geförderten Prozessforschung sind zum Beispiel die Ursachen von Erdbeben, Klima- und Umweltveränderungen in der Vergangenheit, Meteoriteneinschläge, die Entwicklung des Lebens aber auch Vulkanismus und Geothermie, wie bei den jetzt geplanten Bohrungen auf Island.

Links:

Geothermal Research in the Icelandic Rift Zone (Scientific Drilling No. 4, March 2007, pdf – 6 MB)

Iceland Deep Drilling Project

International Continental Scientific Drilling Program

GeoForschungsZentrum Potsdam

(Ulrich Harms – ICDP; GeoForschungsZentrum Potsdam, 09.03.2007 – AHE)

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