Die Schicht zwischen dem Erdkern und dem darüberliegenden Mantel, 2.900 Kilometer tief unter der Erdoberfläche, gibt den Geologen noch immer Rätsel auf. Denn sie erzeugt Deformationen im seismischen Muster, die sie nicht erklären können. Jetzt hat ein französisches Forscherteam erstmals modelliert, welche Störungen in dieser Schicht für die beobachteten Deformationen verantwortlich sein könnten.
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Das Innere der Erde ist für uns trotz aller modernen Technik noch immer unerreichbar. Selbst die tiefsten Bohrungen kratzen gerade einmal an der Oberfläche. Das Wissen um die Strukturen und Schichten im Inneren stammt daher vorwiegend aus den Analysen seismischer Wellen, die sich durch die Erde fortpflanzen und dabei je nach Beschaffenheit des Untergrunds charakteristisch verändert werden. Eine Schicht jedoch, das so genannte „D“-Layer, der Übergang zwischen dem Erdmantel und dem äußeren Erdkern in rund 2.900 Kilometern Tiefe, hat sich bisher allen Versuchen, die von ihr erzeugten seismischen Muster zu erklären, entzogen.
Deformationen in der Kristallstruktur
Einen ersten Hinweis immerhin lieferten 2004 Untersuchungen japanischer Forscher, die feststellten, dass die normalerweise im Erdmantel vorherrschende Kristallform des so genannten Perovskits, einer Form von Magnesiumsilikat (MgSiO3), sich nahe dieser Übergangszone verändert. Es wird instabil und bildet eine neue Phase, das so genannte Post-Perovskit. Könnte diese Deformation das seltsame seismische Verhalten erklären?
Genau das wollten Geochemiker des CNRS der französischen Universität Lille herausfinden. Patrick Cordier und seine Kollegen machten sich daran, die Veränderungen im Perovskit auf Atomniveau zu analysieren und ein Modell der Deformationen aufzustellen. Dabei nutzten sie einen neuen Ansatz: Anstatt die Bedingungen in den Tiefen der Erde 1:1 im Labor nachzubauen, setzten sie auf Simulation. Sie kombinierten quantenmechanische Erkenntnisse mit einem numerischen Modell und ermittelten daraus die mögliche Atomstruktur des Post-Perovskits.
Atome auf Wanderschaft
Damit gelang ihnen zum ersten Mal, Deformationen auf atomarer Ebene auch für komplexe Materialien unter hohen Drucken zu modellieren. Es zeigte sich, dass die Deformationen – in diesem Fall die Verlagerung von Atomen in der Kristallstruktur – sich innerhalb des Kristalls bewegen können und miteinander interagieren. Als nächsten Schritt wollen die Forscher nun das Verhalten von ganzen Mineralkörnern modellieren, später dann des Gesteins als Ganzem.
(CNRS, 07.03.2007 – NPO)