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Physik

Wismut beim Schmelzen zugeschaut

Anrege-Abfrage-Technik mit hohem Potential bei der zeitlichen Auflösung ultraschneller Vorgänge

Um den genauen Zeitpunkt der Ankuft des Röntgenpulses ermitteln zu können, verwenden die Wissenschafter einen elektro-optischen Kristall (grün), der neben dem Elektronenstrahl (weiß) im Linearbeschleuniger kurz vor der Röntgenerzeugung positioniert ist. Ein Laser (rot) zeigt die durch den Elektronenfluss erzeugten Veränderungen im Kristall an und misst somit den exakten Zeitpunkt, wann der Elektronenstrahl - und somit dann die Röntgenpulse - ankommt. © Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Mit Röntgenstrahlen hat ein internationales Wissenschaftler-Team erstmals die Veränderungen verfolgt, die ein Festkörper kurz vor dem Schmelzen durchläuft. Die Messungen an einem relativ einfachen System – einem dünnen Film aus dem Halbmetall Wismut – fanden am statt, so die Forscher im Wissenschaftsmagazin Science.

Die Messung demonstriert das hohe Potential der so genannten Anrege-Abfrage-Technik bei der zeitlichen Auflösung ultraschneller Vorgänge. Bei diesem Verfahren wird zunächst mit einem ultrakurzen Lichtpuls ein atomarer Prozess in dem Material in Gang gesetzt. Die sich daraus ergebenden Veränderungen werden mit Hilfe weiterer Lichtpulse ermittelt, die im Abstand von fest definierten Zeitverzögerungen auf das Objekt treffen.

In vorliegenden Experiment an dem auch zwei Forscher vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching beteiligt waren, wurde ein 50 Nanometer dicker Film des Halbmetalls Wismut mit 70 Femtosekunden – eine Femtosekunde entstpricht 10-15 Sekunden – langen Lichtpulsen aus einem Titan-Saphir-Laser (Nahes Infrarot) in einen hochangeregten Zustand gebracht.

Da die Laserenergie nicht ausreicht, um den Stoff zum Schmelzen zu bringen, kehren die Atome in weniger als einer Nanosekunde – ein Milliardstel einer Sekunde – in ihren Normalzustand zurück. Wie sich die Festkörperstruktur im Anschluss an die Anregung verändert, untersuchten die Forscher um David Fritz, indem sie den Film mit Pulsen Sub-Picosecond Pulse Source (SPPS) am Stanford Linear Accelerator Center (SLAC) in Stanford, USA bombardierten.

Eine Stoppuhr für Laserpulse

Um die Vorgänge genau zeitlich rekonstruieren zu können, müssen die Wissenschaftler genau wissen, wann die anregenden Lichtpulse bzw. die Röntgenpulse auf das Material treffen. Das Problem dabei ist, dass zwar die Pulse des Infrarot-Lasers in genau und verlässlich definierten Zeitintervallen kommen, sich die Pulse der Röntgenstrahlen aus einem Linear-Beschleuniger aber nicht so gut steuern lassen. Mit Hilfe eines elektrooptischen Kristalls schafften es die beiden MPQ-Forscher, Reinhard Kienberger und Adrian Cavalieri, eine Art Stoppuhr zu entwickeln, mit der die relativen Ankunftszeiten der Pulse mit der erforderlichen Genauigkeit bestimmt werden konnten.

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Sogleich beim Auftreffen des anregenden Laserpulses werden die Bindungen zwischen den Atomen im Festkörper schwächer. Der Atomkern gerät dadurch aus dem Gleichgewicht, so wie eine Murmel, die vom Boden einer Vertiefung auf die geneigten Wände angehoben wird. Losgelassen (also im Anschluss an den Laserpuls) rollt der Kern wieder in die Mitte der Vertiefung zurück, und bevor er sich dort – im Gleichgewichtszustand – niederlässt, vollführt er kleinste Schwingungen um den Tiefpunkt. Mit Hilfe der oben skizzierten Anrege-Abfrage-Technik bestimmten die Forscher die Frequenz dieser Schwingungen. Daraus konnten sie die Kräfte ermitteln, die die Atome zusammenhalten, und zwar in Abhängigkeit von der seit der Anregung verstrichenen Zeit.

FEL als Werkzeuge nutzen

Damit lässt sich erstmal eine zeitabhängige "Karte" der Potentialfläche des Festkörpers aus der die inneratomaren Kräfte hervorgehen rekonstruieren. Die Ergebnisse, die an diesem aus der Balance geratenen Wismut-Film gewonnen wurden, lassen sich überraschenderweise – mit nur geringfügigen Abänderungen – mit einem theoretische Modell erklären, das gewöhnlich Potentialflächen von Systemen im Gleichgewichtszustand beschreibt.

Die SPPS diente gleichsam als Testfeld für den neuen Freien-Elektronen-Laser (FEL), den Linac Coherent Light Source (LCLS), der jetzt am SLAC konstruiert wird. Mit dieser weit leistungsstärkeren Quelle wird man komplexere Systeme als Wismut, die unter Umständen eine Schlüsselrolle in anderen Gebieten wie der Medizin oder erneuerbaren Energien spielen, in ähnlicher Weise untersuchen können.

Das Experiment stellt somit einen Meilenstein dar auf dem Weg, zukünftige FEL effizient als Werkzeuge zu benutzen. Forscher am MPQ und am SLAC sind an diesem Gebiet der Physik in gleicher Weise hochinteressiert.

(idw – Max-Planck-Institut für Quantenoptik, 12.02.2007 – DLO)

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