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Biologie

Insekten und Pflanzen: Wer mit wem?

Neues Verfahren hilft bei Analyse von Beziehungsgeflecht im Ökosystem

Ameisen aus der Gattung Tetraponera sammeln den süßen Saft von den Blattdrüsen eines Baumsetzlings im Regenwald von Borneo © Universität Würzburg

Paradiesisch, so eine Blumenwiese im Frühling. Den Ökologen allerdings bereitet dieses Idyll eher Kopfzerbrechen: Heerscharen von Tieren und jede Menge Pflanzenarten verbinden sich auf der Wiese zu einem schwer durchschaubaren Beziehungsgeflecht. Jetzt aber haben Wissenschaftler eine Methode entwickelt, mit der sich solche Insekten-Pflanzen-Netzwerke besser analysieren lassen.

Was das Besondere an dem neuen Verfahren ist, erläutert Nico Blüthgen vom Biozentrum der Universität Würzburg mit einem Vergleich zum Verkehrsnetz: "Bislang wurde nur beachtet, welche Städte durch Straßen miteinander verbunden sind. Wir können nun aber auch berücksichtigen, wie viele Spuren die Straßen haben und wie dicht der Verkehr ist." Die Städte entsprechen dabei den einzelnen Insekten und Pflanzen, die Straßen den Beziehungen zwischen den Wiesenbewohnern.

Klassisches Beispiel: Besucht eine Biene eine Blüte, bekommt sie dort Futter und sorgt im Gegenzug für die Bestäubung. Für genau diese Beziehungen, von denen beide Seiten etwas haben, interessierten sich die Würzburger Forscher. Denn sie wollen wissen: Wie stark sind die unterschiedlichen Lebewesen aufeinander angewiesen? Wie hoch ist der Spezialisierungsgrad und wie reagiert das Netzwerk auf Einflüsse von außen?

Unterschiedliche Spezialsierungsgrade

Erst einmal haben sie ihre Analysemethode auf bekannte Daten von verschiedenen Lebensräumen wie Regenwald, Savannen, Bergregionen oder Wiesen angewendet. Dabei zeigte sich: Den geringsten Grad an Spezialisierung gibt es bei der Samenverbreitung. An dieser sind in der Regel alle möglichen Vögel und Säugetiere beteiligt; sie fressen die Pflanzenfrüchte und scheiden die Samen wieder aus. Deren Verbreitung funktioniert umso effektiver, je mehr Helfer daran mitwirken. Darum ist hier ein niedriger Spezialisierungsgrad sinnvoll.

Wie die Wissenschaftler in der Titelstory der Zeitschrift "Current Biology" weiter berichten, ist die Bestäubung dagegen viel stärker spezialisiert. Blüten werden nur von einigen wenigen Tierarten besucht. Auch das macht Sinn, denn so werden die Pollen viel zielstrebiger zu anderen Blüten derselben Art getragen und nicht an Fremdlinge verschwendet.

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Die stärkste Spezialisierung überhaupt fanden die Forscher in den

Tropen: Dort leben Ameisen der Gattung Crematogaster eng mit bestimmten Bäumen der Gattung Macaranga zusammen. Die Bäume bieten den Ameisen Lebensraum in Wohnhöhlen und oft auch spezielle Futterplätze. Im Gegenzug bekommen sie eine ganze Armee von Leibwächtern. Die Ameisen vertreiben nämlich alle hungrigen Mäuler, die an den Bäumen fressen wollen.

"Solche Analysen sind für das grundlegende Verständnis von Ökosystemen und ihrer Gefährdung sehr wichtig", sagt Blüthgen. Wenn zum Beispiel eine Glockenblumen-Art aus dem Netzwerk Wiese verschwindet – bedeutet das dann eine starke Störung? Oder weichen die von ihrem Pflanzenpartner im Stich gelassenen Insekten einfach auf andere Arten aus?

Nächste Analysen in vom Menschen beeinflussten Gebieten

Als nächstes wollen die Forscher ihr Verfahren auf Grasland und Wälder anwenden, die unterschiedlich stark vom Menschen genutzt werden, also unterschiedlich stark gestört sind. So hoffen sie herauszufinden, welchen Einfluss das Ausmaß der Nutzung auf die Tier-Pflanzen- Netzwerke hat.

Die Wissenschaftler konzentrieren sich bei dem Projekt auf drei klimatisch sehr unterschiedliche Gebiete: das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin nördlich von Berlin, den Nationalpark Hainich in Thüringen und das designierte Biosphärenreservat Schwäbische Alb in Baden-Württemberg. In allen drei Gebieten sammeln die Würzburger Doktoranden Michael Werner und Christiane Weiner ab diesem Frühling jede Menge Daten: Wie wird das Land genutzt, welche Pflanzen und Tiere leben dort? Wie ist das Klima, wie fruchtbar der Boden – das sind nur ein paar davon. Gesammelt wird wiederholt über alle Jahreszeiten hinweg. Später soll experimentell untersucht werden, wie sich menschliche Eingriffe auswirken. Mit ersten Ergebnissen rechnen die Wissenschaftler im Sommer 2008. Dann sollte das komplexe Geschehen in Wäldern und auf Wiesen schon leichter zu durchschauen sein.

(Universität Würzburg, 06.02.2007 – NPO)

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