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Medizin

Rezeptoren „boykottieren“ Krebstherapie

Identisches Molekül mit unterschiedlichen Funktionen bei verschiedenen Krebsarten

Identische Zellstrukturen können bei verschiedenen Krebsarten unterschiedliche Funktionen erfüllen. Eine aktuelle Studie im British Journal of Cancer zeigt dies für ein therapeutisch wichtiges Rezeptormolekül. © PR&D - Public Relations for Research & Development

Ein und dasselbe Rezeptormolekül kann bei verschiedenen Krebsarten unterschiedliche Funktionen erfüllen und damit Therapiekonzepte in die Irre führen. Dies geht aus einer neuen, jetzt im British Journal of Cancer (BJC) veröffentlichten Studie hervor.

Darin verglichen Forscher die Funktion des HER2/neu-Rezeptors in Tumorzellen von Brustkrebs- und Eierstockkrebsgewebe. Die vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF unterstützte Untersuchung zeigt, dass die durch den Rezeptor regulierten zellulären Prozesse zwischen den verglichenen Krebsarten stark variieren. Da HER2/neu das Ziel einer erfolgreichen Therapie des Brustkrebs ist, hat das Ergebnis große Bedeutung für Konzepte zur Behandlung des Eierstockkrebs.

Brustkrebs und Eierstockkrebs können beide erblich sein und auf dem gleichen genetischen Defekt beruhen. Als Ergebnis besitzen beide oft eine hohe Anzahl des HER2/neu-Rezeptors. Warum aber reagieren dann nicht beide Krebsarten in gleicher Weise auf eine Blockade dieses Rezeptors? Was in der Therapie des Brustkrebs als größter Erfolg der letzten 20 Jahre zu betrachten ist, scheitert bei der Therapie des Eierstockkrebs. Einen entscheidenden Beitrag zur Klärung des "Warums" liefert nun Dr. Dietmar Pils aus der Arbeitsgruppe von Professor Michael Kraine von der Klinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Wien.

Ein Rezeptor – zwei Wirkungen

Das Team verglich Gewebeproben von 148 Tumoren des Eierstocks untereinander, mit Ergebnissen von Brustkrebs-Gewebeproben und mit vorhandenen Patientinnen-Daten. Dabei wurden u. a. interessante Abweichungen zu Brustkrebsgewebe festgestellt. Zwar konnte in circa 25 Prozent der Fälle ebenso ein gehäuftes Auftreten des HER2/neu-Rezeptors beobachtet werden (eine bekannte Tatsache), doch ein anderes Signalmolekül (CXCR4) war in Zellen des Eierstockkrebs unbeeinflusst. In Brustkrebszellen, die HER2/neu verstärkt bilden, kommt aber gerade auch CXCR4 häufiger vor als in gesunden Zellen.

Tatsächlich ist CXCR4 ein Molekül das mit der Bildung von Metastasen in Verbindung gebracht wird und man vermutet, dass HER2/neu die Bildung von CXCR4 sowohl induziert als auch das Molekül gleichzeitig vor dem Abbau durch Enzyme schützt – und damit den Krebs aggressiver (i.e. metastasierend) werden lässt. Die Ergebnisse der Medizinischen Universität Wien zeigen nun, dass beim Ovarialkarzinom diese Signalwirkung des Her/2neu keine Rolle spielt.

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Molekulare Diagnostik optimiert Therapie

Zur Bedeutung dieses Ergebnisses meint Krainer: "Seit fast zehn Jahren kann man mittels molekularer Diagnostik den erblichen Brustkrebs identifizieren und in der Brustkrebstherapie auf so genannte monoklonale Antikörper zurückgreifen. Der erste für den Einsatz als Medikament zugelassene Antikörper blockiert punktgenau den HER2/neu-Rezeptor und verhindert so ein weiteres Wachstum des Tumors. Ein sehr gutes Beispiel für ein maßgeschneidertes Therapiekonzept. Wie wichtig aber das weitere Differenzieren bei der Krebstherapie ist, zeigt nun unsere Arbeit.“

Und weiter: „Denn obwohl der gleiche monoklonale Antikörper auch bei Zellen des Eierstockkrebs auf diesen Rezeptor passt, bewirkt er dort herzlich wenig. Tatsächlich ist meine Arbeitsgruppe damit befasst durch genau solche Erkenntnisse Grundlagen für Therapieoptimierungen bei der Krebsbehandlung zu schaffen und auch Irrwege aufzuzeigen. Dabei sind wir für die Unterstützung des FWFs sehr dankbar, da der – auch monetäre – Wert von Grundlagenforschung für das Gesundheitssystem noch nicht voll erkannt zu werden scheint."

Diese vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Studie demonstriert aber sehr klar die unmittelbare Bedeutung, die Erkenntnisse der Grundlagenforschung für die moderne Krebstherapie haben können. Tatsächlich erlauben solche Studien auch aus dem breiten Spektrum an Therapiemöglichkeiten jene Behandlung zu wählen, die individuellen Patienten optimale Hilfe verspricht. Denn ein Einheitsrezept zur Behandlung des Krebs gibt es nicht.

(Medizinische Universität Wien / PR&D – Public Relations for Research & Development, 29.01.2007 – DLO)

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