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Medizin

Ratten testen Aidsmittel

Erstes transgenes Kleintiermodell untersucht Wirksamkeit von Aidsmitteln

Bevor neue Wirkstoffe in klinischen Studien erprobt werden, müssen sie zunächst an Tiermodellen auf ihre Verträglichkeit und Wirksamkeit getestet werden. HIV ist allerdings normalerweise weder für Mäuse noch für Ratten infektiös, sondern nur für Menschen und bestimmte Menschenaffen. Jetzt haben Wissenschaftler erstmals Medikamente gegen die HIV-Infektion beim Menschen erfolgreich an "transgenen" Ratten getestet. Diese Tiere waren durch gezielte Veränderung ihres Erbmaterials für eine Infektion mit HIV empfänglich gemacht worden.

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Damit steht nun ein transgenes Kleintiermodell zur Verfügung, mit dem die Wirksamkeit von Medikamenten gegen den AIDS-Erreger HIV schnell und in größerem Umfang vor ihrem Einsatz beim Menschen geprüft werden kann. Das Forscherteam um den Virologen Dr. Oliver Keppler berichtet über seine Ergebnisse in der Online-Ausgabe der renommierten US-Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences".

Menschliche Gene werden in das Erbgut der Ratten eingebracht

"Wirksamkeitsuntersuchungen in den wenigen bisher verfügbaren HIV-Tiermodellen sind technisch extrem aufwendig, sehr teuer und langwierig. Dies hat einen raschen Fortschritt bei der Entwicklung neuer Medikamente gegen HIV erheblich behindert", berichtet Keppler. Die routinemäßige Testung an Menschenaffen ist – vor allem aus ethischen Gründen – nicht durchführbar.

Die Virologen Christine Goffinet, Ina Allespach und Keppler vom Universitätsklinikum Heidelberg beschäftigten sich mit der Frage, ob Wirkstoffe gegen eine HIV-Infektion an den transgenen Ratten getestet werden können. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern am J. David Gladstone Institute in San Francisco wurden dafür Gene des Menschen in das Erbgut der Tiere eingebracht, die erst eine HIV-Infektion dieser Nager ermöglichen.

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Die Gene sorgen dafür, dass auf der Oberfläche von Immunzellen der Ratte "menschliche" Proteine (HIV-Rezeptorkomplex) aufgereiht werden, die für das Eindringen des Virus in die Zelle notwendig sind. "Frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass diese transgenen Ratten mit HIV infiziert werden können", berichtet Keppler.

Nun ist es den Heidelberger Forschern gelungen, im Rattentiermodell die HIV-Infektion mit Hilfe von Arzneimitteln einzudämmen, die bereits erfolgreich bei HIV-infizierten Patienten im Einsatz sind. Diese Medikamente, die bei Menschen den Ausbruch von AIDS hinauszögern können, verhindern entweder den Eintritt des HI-Virus in die Zelle oder stoppen seine Vermehrung in den Zellen durch Hemmung der Reversen Transkriptase; ein Enzym des Virus, das die Umschreibung des genetischen Materials des Virus bewerkstelligt. Durch Behandlung der transgenen Ratten mit diesen Medikamenten konnte das Niveau der Infektion mit HIV um mehr als 90 Prozent reduziert werden.

"Interessanterweise lag der Grad der antiviralen Wirkung in einem ähnlichen Bereich wie in vergleichbaren klinischen Tests der Medikamente bei HIV-infizierten Patienten", so Keppler. "Dies ist eine wichtige Eigenschaft und vielversprechend im Hinblick auf geplante Untersuchungen neuer Wirkstoffe".

Aussichtsreiche Medikamente identifizieren

Die Forscher um Keppler untersuchen nun erstmals noch in Entwicklung befindliche Substanzen gegen das Virus in diesem HIV-Kleintiermodell auf ihre Wirksamkeit, einschließlich Inhibitoren der HIV-Integrase, einem weiteren viralen Enzym, das für das Einfügen des HIV-Erbmaterials in das Erbgut der Wirtszelle verantwortlich ist.

Durch dieses transgene Rattenmodell könnte ein wichtiger Beitrag dazu geleistet werden, dass nur die aussichtsreichsten Medikamenten-Kandidaten gegen HIV für zukünftige klinische Studien am Menschen ausgewählt werden und so die Weiterentwicklung neuer Virostatika beschleunigt wird.

(idw – Universitätsklinikum Heidelberg, 03.01.2007 – DLO)

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