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Evolution

Ohne Sauerstoff keine Mehrzeller?

Zusammenhang zwischen Sauerstoffkonzentration und der Entwicklung höherer Lebensformen nachgewiesen

Membranen und ihre Proteine spielen eine wichtige Rolle © Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Elmon Schmelzer

Heute gibt es nur wenige Organismen, die ohne Sauerstoff auskommen. Doch in der Frühzeit der Erde war die Atmosphäre alles andere als sauerstoffreich. Jetzt haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass sich höhere Zellen und Lebewesen tatsächlich erst dann entwickeln konnten, als der Sauerstoffgehalt in der Uratmosphäre angestiegen war. Denn vor allem die für die Kommunikation der Zellen unverzichtbaren Transportproteine in den Membranen funktionierten nicht ohne das Atemgas, wie die Forscher in „Nature“ berichten.

Der Anteil an atmosphärischem Sauerstoff war bis vor ungefähr drei Milliarden Jahren auf der Erde sehr niedrig. Erst dann kam durch die Photosynthese in einer vergleichsweise kurzen Zeit viel Sauerstoff in die Atmosphäre, so dass dessen Anteil in der vergangenen eine MIlliarde Jahren sich bei rund 15 bis 25 Prozent stabilisierte. Wissenschaftler um Claudia Acquisti und Sinead Collins vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln haben nun den Sauerstoffanteil von Proteinen der Zellmembran von Pro- und Eukaryoten verglichen. Dabei stellten sie fest, dass die Membranproteine von Eukaroyten, also Lebewesen mit Zellkern und Zellmembran, mehr Sauerstoff enthalten als die der einfachen Prokaryoten.

Mehr und größere Transportproteine

In der Evolution der Zellen – vom prokaryotischen Einzeller zum Eukaryoten – war die Entstehung von Zellunterteilungen oder Zellkompartimenten der wichtigste Schritt. Er machte es aber auch erforderlich, dass die Zellen durch die Membran hindurch kommunizieren können. Diese Funktion erfüllen die so genannten Transmembranproteine. Transmembranproteine bestehen aus drei verschiedenen Regionen: die innere Region, die nur Kontakt zum geschützten Milieu des Zellplasmas hat, die mittlere Region, die sich in der Zellmembran befindet, und die äußere Region, die als Rezeptor fungiert und Signale von außen empfangen kann.

Bei Prokaryoten ist diese äußere Region der Membranmoleküle sehr klein. Die Wissenschaftler begründen das mit der Sauerstoff reduzierenden Umgebung, die sofort den außerhalb der Zelle gelegenen Teil der Membranproteinstruktur zerstören würde. Also lebten die Prokaryoten damit, nur begrenzt mit ihrer Umwelt kommunizieren zu können.

Demgegenüber haben Organismen, die sich erst dann entwickelten als das Luftsauerstoffniveau höher war, Transmembranproteine mit großen extrazellularen Proteindomänen, die außerdem auch mehr Sauerstoff enthalten. Die Kölner Wissenschaftler kommen daher zu der These, dass der Prozentsatz an Luftsauerstoff ein limitierender Faktor für bestimmte Evolutionsereignisse gewesen sein muss, wie etwa die Kompartimentierung von Zellen.

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Sauerstoff als Selektionsfaktor

In ihren wissenschaftlichen Untersuchungen setzten die Forscher den Sauerstoffgehalt der Transmembranproteine, die Größe der Proteindomänen und das atmosphärische Sauerstoffniveau zu verschiedenen Zeiten der Erdgeschichte sowie das evolutionäre Alter von Organismen miteinander in Korrelation. Ihre Berechnungen zeigen, dass die Sauerstoffbeschränkung auch den Zeitpunkt bestimmte, zu dem eukaryotische Zellen entstanden sind.

"Die natürliche Selektion hätte sich gegen die Entwicklung großer extrazellulärer Proteinstrukturen entschieden, die unter den damaligen Bedingungen nicht stabil gewesen wären", erläutert Sinead Collins. Fasziniert ist die junge Wissenschaftlerin von dem Fakt, dass dieses Forschungsprojekt ohne die Zusammenarbeit von Experten verschiedener Fachrichtungen -in diesem Fall von Mathematikern, Bioinformatikern und Evolutionsbiologen – überhaupt nicht möglich gewesen wäre.

(MPG, 22.12.2006 – NPO)

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