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Technik

Erster Roboter mit Selbst-Bewusstsein

Selbst Laufen lernen statt Modell mit starren Regeln

Roboter ähnelt einem vierarmigen Seestern © Lindsay France / Cornell University

Normalerweise sind Roboter mit einem relativ starren Bild ihrer selbst und ihrer Umgebung programmiert. Ist der Roboter beschädigt oder ändert sich die Umgebung, kann er sich nicht anpassen und ist hilflos. Nicht so ein neuer Roboter, über den amerikanische Forscher jetzt in der Zeitschrift Science berichten: Er erarbeitet sich sein Modell selbst und kann sich so auch an Behinderungen anpassen.

Erst bringt er sich selbst das Laufen bei, und dann, wenn er verletzt wird, auch das Humpeln. Er – das ist ein Roboter am Cornell Computational Synthesis Lab, den Forscher um Hod Lipson, Assistenzprofessor für Mechanik und Raumfahrttechnik und seine Kollegen Josh Bongard und Viktor Zykov entwickelt haben. Anstatt einem Roboter ein starres Set von Regeln mitzugeben, entschlossen sich die Wissenschaftler, ihn seine eigene Natur und wie sie zu kontrollieren ist, selbst erkunden zu lassen. Dieser Prozess gleicht damit dem, mit dem Menschen und Tierkinder ihren Körper entdecken und zu beherrschen lernen. Diese „Selbstmodellierung“ ermöglicht es auch, sich flexibel an Verletzungen und Behinderungen anzupassen.

Modelle selbst erschaffen

Der Roboter, der einem vierarmigen Seestern ähnelt, beginnt nur mit dem Wissen, aus welchen Teilen er besteht, nicht aber, wie sie zusammengesetzt sind oder wie er sie benutzen kann, um sein Ziel der Vorwärtsbewegung zu erreichen. Um das herauszufinden, nutzt er eine quasi wissenschaftliche Methode: Er stellt eine Theorie auf, testet sie durch Experimentieren und verbessert daraufhin seine Theorie.

Konkret beginnt der Roboter damit, Modelle aufzustellen, wie die Teile zusammengesetzt sein könnten. Dann entwickelt er Befehle, die er an die Motoren senden könnte, um die Modelle zu testen. Als nächstes folgt ein entscheidender Schritt: Er wählt die Befehle aus, die am Wahrscheinlichsten Ergebnisse bringen, testet sie aus und passt, je nach Ergebnis, seine Modelle entsprechend an. Diesen Zyklus führt der Roboter rund 15 Mal durch, dann erst versucht er, sich tatsächlich vorwärts zu bewegen.

Testzyklen helfen beim Gehen lernen

„Die Maschine hat nicht ein einziges Modell von sich selbst, sondern viele, gleichzeitig existierende und konkurrierende Modelle. Diese liegen im Wettstreit darum, wer am Besten die Erfahrungen des Roboters erklären kann“, erklärt Lipson. Das Ergebnis ist ein eher uneleganter, aber funktionaler Gang, ähnlich dem einer Spannerraupe, bei dem erst die Beine vorwärts gehen, dann der Körper nachgezogen wird.

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Hat der Roboter es so weit geschafft, stellen ihn die Forscher vor die nächste Herausforderung: Sie entfernen einen Teil eines Beins. Dadurch funktioniert sein altes Modell nicht mehr und er kann sich nicht mehr vorwärts bewegen. Stattdessen entwickelt er erneut neue Modelle und führt 16 Zyklen seines Testdurchlaufs durch.

Roboter mit Bewusstsein

„Wir haben zum ersten Mal gezeigt, wie ein Modell in einem Roboter entstehen kann“, erklärt Lipson. „Es macht den Roboter auf ganz neue Weise adaptiv, denn ihm kann nun eine Aufgabe gestellt werden, ohne dass er dafür ein eigenes Modell braucht. Das öffnet die Tür zu einem neuen Grad des Maschinenbewusstseins und wirft Licht auf die alte Frage, wie Maschinen intelligent werden können.“

Obwohl der Testroboter ein sehr einfaches vierbeiniges Gerät ist, kann der dahinter stehende Algorithmus auch für sehr viel komplexere Roboter eingesetzt werden, die mit unbekannten Situationen umgehen müssen, wie beispielsweise bei Weltraumeinsätzen, so die Forscher. Nach Ansicht der Wissenschaftler hat der Roboter in gewisser Weise ein „Bewusstsein“, wenn auch auf einem sehr primitiven Niveau, denn er denkt über sich: „Was würde geschehen, wenn ich dieses oder jenes tun würde?“. „Ob das Bewusstsein von Menschen oder Tieren ähnlich funktioniert – ob auch sie ein ähnliches Selbstbild haben und ihre Aktionen im Kopf durchtesten bevor sie sie ausführen ist immer noch eine offene Frage“, erklärt Lipson.

(Cornell University, 11.12.2006 – NPO)

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