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Forschung

Leibniz-Preisträger 2007 stehen fest

Geldregen für vielversprechende Forscher

Zwei Wissenschaftlerinen und acht Wissenschaftler werden am 17. März 2007 den höchstdotierten deutschen Förderpreis, den Leibniz-Preis, in Empfang nehmen können. Wer die Preisträger sind, wurden gestern von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)bekanntgegeben. Die fachliche Spannbreite reicht von Astrophysik über Neurowissenschaft, Diabetesforschung bis hin zu Geschichte und Philisophie.

Das Leibniz-Programm wurde 1985 eingerichtet mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen herausragender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu verbessern, ihre Forschungsmöglichkeiten zu erweitern, sie von administrativem Arbeitsaufwand zu entlasten und ihnen die Beschäftigung besonders qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zu erleichtern. Für den Preis können Forscherinnen und Forscher aus allen Fachgebieten nominiert werden.

Die neuen Leibniz- Preisträger erhalten 2007 erstmals eine Fördersumme von jeweils 2,5 Millionen Euro und können diese Mittel in einem Zeitraum von bis zu sieben Jahren flexibel für ihre Forschungsarbeiten einsetzen. Die feierliche Verleihung der Preise im Gottfried Wilhelm Leibniz- Programm für 2007 durch den neuen Präsidenten der DFG, Professor Matthias Kleiner, findet am 13. März 2007 in der Berlin- Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften in Berlin statt.

Aus 129 Vorschlägen wurden für das Jahr 2007 folgende Leibniz- Preisträgerinnen und Leibniz-Preisträger ausgewählt:

Diabetes, Insulin und Fettstoffwechsel

Mit seinen Forschungsarbeiten zur genetischen Manipulation von Mäusen gelangen dem Endokrinologen Prof. Dr. Jens Claus Brüning vom Institut für Genetik der Universität zu Köln zahlreiche wegweisende Durchbrüche auf dem Gebiet der Molekularen Diabetesforschung. So konnte er zeigen, wie der Insulinrezeptor an der Kontrolle des Körpergewichts und an der Entstehung einer Fettstoffwechselstörung beteiligt ist. Zugleich konnte er klären, warum bei Übergewicht zu wenig Insulin aus den endokrinen Zellen der Bauchspeicheldrüse freigesetzt wird; dieser Nachweis fand internationale Beachtung.

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Darüber hinaus ist es dem 40jährigen Forscher gelungen, Nervenzellpopulationen im Hypothalamus zu identifizieren und zu charakterisieren, welche die Nahrungsaufnahme regulieren. Das entscheidende Steuerungssignal ist das Insulin, das den Energiestatus des Körpers vom Gehirn aus regelt. Angesichts einer fast epidemieartigen Ausbreitung der Fettleibigkeit (Adipositas), die inzwischen schon fast 20 Prozent der Bevölkerung betrifft, sind diese Erkenntnisse zukunftsweisend.

Ferromagnetismus und Quantenforschung

Prof. Dr. Patrick Bruno vom Max- Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle/Saale gilt als einer der kreativsten und erfolgreichsten theoretischen Physiker der jüngeren Generation. Seine wissenschaftlichen Interessen liegen auf dem Gebiet der theoretischen Festkörperphysik, insbesondere der Theorie des Magnetismus in reduzierter Dimension und in Nanostrukturen. Seine mikroskopische Erklärung spezieller Wechselwirkungen in Schichtsystemen aus Ferromagneten ("Zwischenlagenaustauschkopplung") ist bereits fester Bestandteil moderner Lehrbücher der Festkörperphysik.

Der 42jährige analysierte verschiedene magnetische Effekte in der Quantenmechanik (Casimir-Effekt, Spin-Hall-Effekt) und untersuchte die Rolle von Berry-Phasen in richtungsabhängigen Ferromagneten. Dabei arbeitete er oft neue Aspekte der Standardtheorien heraus. Die Bandbreite seines Wissens, die sich auf das gesamte Gebiet der theoretischen Festkörperphysik erstreckt, schlägt sich insbesondere in zahlreichen Übersichtsartikeln nieder, die sich hochaktuellen Fragestellungen wie zum Beispiel der Spinpolarisation von Nanostrukturen, Quanten- Nanomagneten und magnetischen Halbleitern widmen.

Zellentwicklung im Gehirn

Seit ihrer Promotion befasst sich Prof. Dr. Magdalena Götz mit der Erforschung der molekularen Grundlagen der Gehirnentwicklung, wobei sie sich vorwiegend auf die Großhirnrinde konzentriert. Ihre Entdeckungen werfen ein völlig neues Licht auf jene Prozesse, die der Entstehung von Nervenzellen und der Ausdifferenzierung der Großhirnrinde zugrunde liegen. Ihre Entdeckung, dass Gliazellen des Gehirns als Stammzellen fungieren und Nervenzellen aus Gliazellen hervorgehen können, führte in der Neurowissenschaft zu einem Paradigmenwechsel.

In den Folgearbeiten gelang es ihr, eine Reihe der Faktoren aufzuklären, die den Übergang von glialen zu neuronalen Zellen bestimmen. So konnte sie zeigen, wie aus bereits differenzierten Zellen neue Zelltypen entstehen können. Ihre Arbeiten sind wegweisend für die Versuche, die zielgerichtete Differenzierung von Stammzellen zu lenken und damit eines der zentralen Probleme der angewandten Stammzellforschung zu lösen. Die 44jährige ist am GSF- Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, am Institut für Stammzellforschung, Neuherberg, und am Institut für Physiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig.

Den Geheimnissen des Brechens auf der Spur

Prof. Dr. Peter Gumbsch arbeitet auf dem Grenzgebiet zwischen Physik und Ingenieurwissenschaften im Bereich der Werkstoffwissenschaften, insbesondere auf dem Feld der Werkstoffmechanik. Neben der Verformung von dünnen Schichten beschäftigte er sich besonders mit der Dynamik von Verformungsprozessen und der die Verformung tragenden Versetzungen, also Unregelmäßigkeiten in der Gitterstruktur eines festen Werkstoffes, bei hohen Geschwindigkeiten.

In ähnlicher Weise hat sich Peter Gumbsch mit den Elementarmechanismen des Bruchs auseinandergesetzt. Hier hat er mit atomistischen Untersuchungen und den ersten ernsthaften quantenmechanischen Berechnungen zum Sprödbruchverhalten das bislang in sämtlichen Lehrbüchern dargestellte thermodynamische Bild um wesentliche Aspekte des Brechens atomarer Bindungen erweitert. Er ist maßgeblich beteiligt an der Entwicklung des aktuellen Gebiets der Multiskalen-Material-Modellierung, mit der Werkstoffe Skalen übergreifend – von einzelnen Atomen über Kristalle bis zum ganzen Werkstück – beschrieben werden können. Der 44jährige Werkstoffwissenschaftler forscht am Institut für Zuverlässigkeit von Bauteilen und Systemen (IZBS) der Universität Karlsruhe (TH) und am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik (IWM), Freiburg i. Br. und Halle/Saale.

Einblicke in das Klima der Vergangenheit

Der Paläoklimaforscher Prof. Dr. Gerald Haug erforscht am GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam und am Institut für Geowissenschaften der Universität Potsdam die Entwicklung des Klimas während der letzten Jahrtausende bis Jahrmillionen. Anhand von Meeres- und Seesedimenten ist es ihm gelungen, klimatische Veränderungen in der jüngeren Erdgeschichte mittels innovativer Methoden in zahlreichen Schlüsselregionen unseres Planeten zu rekonstruieren. Er untersuchte unter anderem die Ursachen von Klimaschwellenwerten und großen Klimawenden der jüngeren Erd- und Klimageschichte.

Für eines der ältesten Rätsel der Paläoklimaforschung – die Entstehung der großen Eiszeiten auf der Nordhalbkugel vor gut 2,7 Millionen Jahren – konnte er eine plausible Erklärung liefern und zeigen, dass der Nordpazifik die entscheidende Feuchtigkeitsquelle für den amerikanischen Eisschild und die gesamte Nordhalbkugel darstellt. Ferner belegt er, dass Veränderungen der physikalischen Schichtung der polaren und subpolaren Ozeane eng mit Änderungen im Austausch des Treibhausgases CO2 zwischen Ozean und Atmosphäre zusammenhängen.

Zwischen Kultur, Kunst und Gschichte des Mittelters

Die Arbeit von Bernhard Jussen, Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Bielefeld, dokumentiert das wachsende Interesse der Historiker an einer sich rapide entwickelnden Kulturwissenschaft. In interdisziplinär und international angelegten Projekten beleuchtete er die Zusammenhänge von Macht und Ordnung, Sinnstiftung und "Zeitgeist" vor allem auch als semantisches Problem. Hierbei blieb er nicht bei der Beschreibung stehen, sondern nutzte das ganze Spektrum anthropologischer und ethnologischer Methoden, um Mentalitäten und moralische Handlungskategorien zu hinterfragen, auf denen gesellschaftliche Ordnungen basieren und aus denen politische beziehungsweise gesellschaftliche Aktivitäten entwickelt werden.

Sein Interesse gilt ebenfalls der künstlerischen Darstellung der Geschichte. An dieser Nahtstelle zwischen Kunst- und Kulturgeschichte, künstlerischer Praxis und Produktion erforscht der 47jährige in internationaler Kooperation die Tragfähigkeit der bildlichen Quellen als ein interdisziplinäres Arbeitsfeld der Humanwissenschaften.

Schwarze Löcher und Galaxienwachstum

Die erst 37jährige Astrophysikerin Prof. Dr.Guinevere Kauffmann untersucht am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching die Entwicklung von Galaxien unter Verwendung von umfangreichen Beobachtungen des Sternenhimmels. Sie zeigte, wie Strukturen dunkler Materie als Skelett benutzt werden können, um ein Entwicklungsmodell für die gesamte Galaxienpopulation zu konstruieren, und belegte, wie dieses Entwicklungsmodell in Computersimulationen der kosmischen Strukturentstehung eingebunden werden kann.

Als Erste berücksichtigte sie das Anwachsen von supermassereichen schwarzen Löchern in solchen Modellen, so dass der Zusammenhang zwischen dem Anwachsen der Galaxien und dem des schwarzen Loches studiert werden kann. Sie demonstrierte, dass verlässliche Sternmassen für fast alle Galaxien erhalten werden können. Ihre Veröffentlichungen zeigen, dass sich die Galaxienpopulation in zwei voneinander fast unabhängige Klassen aufteilt. Bei niedrigen Sternmassen sind Galaxien meistens scheibenförmig, diffus, gasreich und entwickeln neue Sterne. Bei höheren Massen sind sie meistens elliptisch, konzentriert, gasarm und bilden wenig neue Sterne.

Himmlische Einschläge als Forschungsobjekt

Der Mineraloge und Petrologe Prof. Dr. Falko Langenhorst beschäftigt sich mit "Impakten": Einschlägen von Himmelskörpern auf der Erde beziehungsweise auf anderen Planeten oder Monden, welche die Entwicklung der Erde und des Sonnensystems entscheidend beeinflusst haben. Hierbei ist die grundlegende Physik und Chemie von Impaktprozessen und ihre Auswirkung auf die Biosphäre ("Astro-Mineralogie") sein Spezialgebiet.

Im Rahmen seiner Arbeit gelang Falko Langenhorst die erstmalige Entdeckung von Hochdruckmineralen in dem Marsmeteoriten Zagami, der seinerseits durch Meteoriteneinschläge aus der Oberfläche des Mars herausgebrochen und auf die Erde geschleudert worden war. Für das Impakt-Ereignis, das diesen Marsmeteorit erzeugte, konnten so Drücke von 300.000 bar und Temperaturen von 2.400-2.500 Grad Celsius abgeschätzt werden. Besondere internationale Beachtung fanden ferner seine Untersuchungen zur Kristallchemie von Perowskit, einem Hauptbestandteil des unteren Erdmantels. Der 42jöhrige forscht am Institut für Geowissenschaften der Universität Jena.

Griechische Philosophie für die moderne Welt

Prof. Dr. Oliver Primavesi vom Institut für Klassische Philologie der Ludwig-Maximilians-Universität München ist ein ungewöhnlich breit arbeitender Gräzist, der sein Fach erfolgreich mit der antiken Philosophie ins Gespräch bringt.

Daneben hat er wichtige Interpretationen der Werke Homers vorgelegt und anhand von Aristoteles-Zitaten im Werk anderer Autoren die Rekonstruktion der verschollenen aristotelischen Schrift über die Pythagoreer vorbereitet.

Gemeinsam mit Alain Martin gab der 45jährige das Straßburger Empedokles-Papyrus heraus: eine Edition, die erstmals den Text eines vorplatonischen Philosophen in Originalfragmenten greifbar macht und den Philosophen entgegen der Schulbuchweisheiten nicht als Vertreter einer breit gefächerten Emanzipationsbewegung weg vom religiösen Mythos hin zum philosophischen Logos greifbar macht, sondern zeigt, wie stark Kosmologie und Naturwissenschaft, Religion und Naturphilosophie, Mythos und Logos bei Empedokles ineinandergreifen.

Entwicklungsbiologie der Pflanzen

Prof. Dr. Detlef Weigel vom Max- Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen ist einer der international führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der pflanzlichen Entwicklungsbiologie. Seine Arbeiten zur Blütenentwicklung, zur Regulation des Blühzeitpunktes und zur Evolution adaptiver Merkmale waren bahnbrechend und begründeten seine ungeteilte internationale Anerkennung.

Durch die Expression des Blüten-Identititätsgens LEAFY in Pappelpflänzchen gelang es dem 44jährigen, den Blühzeitpunkt dieses Baumes, der normalerweise mehr als acht Jahre beträgt, auf wenige Monate zu reduzieren. Dies ist besonders im Hinblick auf die Beschleunigung von markergestützten Züchtungsprogrammen von Bedeutung, bei denen sich durch Vorverlegung des Blühzeitpunktes ein erheblicher Zeitgewinn erzielen lässt.

(Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), 08.12.2006 – NPO)

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