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Neurobiologie

Wie lernen wir aus Erfahrungen?

Hippocampus ermöglicht Vorausdenken durch Vergleich mit gespeicherten Erinnerungen

Wenn wir uns eine romantische Komödie im Kino anschauen, müssen wir den Film nicht kennen, um zu erahnen, wie er ausgehen wird. Unsere Erfahrung sagt uns das. Denn Erinnerungen rufen nicht nur Vergangenes ins Gedächtnis zurück, ohne sie könnten wir auch viele Begebenheiten in der Gegenwart und Zukunft nicht deuten und vorhersagen. Jetzt haben Forscher herausgefunden, wie das Gehirn dieses „Vorauswissen“ erzeugt.

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Dharshan Kumaran und Eleanor Maguire vom Wellcome Trust Centre for Neuroimaging am University College in London zeigten jetzt mithilfe bildgebender Verfahren, dass der Hippocampus, eine Gehirnregion, die auch bei Lernen und Gedächtnis eine entscheidende Rolle spielt, für die Vorhersagen der unmittelbaren Zukunft zuständig ist. In Reaktion auf einen auslösenden Hinweis ruft die Gehirnregion automatisch eine Abfolge von Ereignissen ab, beruhend auf vergangenen Erfahrungen, und ermöglicht so die Abschätzung dessen, was sich entwickeln könnte.

Hippocampus als „Vergleichsorgan“

In ihrem Experiment zeigten die Wissenschaftler zeigten Probanden zunächst eine Serie von vier Bildern. Dann wiederholten sie dieses, kehrten aber die Reihenfolge der letzten beiden Bilder um. Während dieser Versuchsreihen befanden sich die Versuchspersonen in einem Scanner für die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI). Dieser bildet die Durchblutung verschiedener Hirnregionen und damit auch deren Gehirnaktivität ab.

Tatsächlich zeigten die Aufnahmen deutlich, dass das Gehirn „überrascht“ reagierte, wenn die erwartete Reihenfolge verändert wurde. “Diese Experimente deuten darauf hin, dass der Hippocampus als eine Art Vergleichsorgan agiert, der vergangene und gegenwärtige Erfahrungen abgleicht“, erklärt Kumaran. „Es scheint nicht auf Neuheit an sich zu reagieren, sondern eher auf Diskrepanzen zwischen dem, was es zu sehen erwartet und dem was es tatsächlich sieht.”

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Schlüsselreiz löst Erinnerungskette aus

Die Ergebnisse erklären auch, warum der Anblick eines bekannten Gesichts oder eines Musikstücks manchmal eine ganze Kette von Erinnerungen hervorrufen kann. Auch hier hat der Hippocampus seine „Hände“ im Spiel. Angeregt durch einen Schlüsselreiz, ruft er prompt die passende Erinnerung ab. Gleichzeitig sorgt er auch für den kritischen Vergleich mit den aktuellen Geschehnissen und ermöglicht so, Abweichungen vom Erwarteten zu erkennen.

“Patienten mit beschädigtem Hippocampus, wie beispielsweise Alzheimer-Patienten, haben oft Schwierigkeiten, sich an die Abfolge von Ereignissen zu erinnern oder ihren Weg zu finden“, so Kumaran. „Das liegt daran, dass der Hippocampus nicht mehr schnell die vielen unterschiedlichen Komponenten unserer Erfahrungen in ein verständliches Ganzes kombinieren kann.”

(Wellcome Trust, 28.11.2006 – NPO)

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