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Technik

Zukunftspreis für „schärfere“ Lichtmikroskopie

Max-Planck-Forscher Stefan Hell ausgezeichnet

Der Blick auf das Innere von Zellen wird immer schärfer: Die beiden Abbildungen zeigen Filamente in einer menschlichen Nervenzelle; links durch ein herkömmliches Konfokalmikroskop, rechts durch ein STED-Mikroskop. Die Auflösung des STED-Mikroskops ist um das Zwölffache besser. © MPI für biophysikalische Chemie

Die Jury hat entschieden: Der 10. Deutsche Zukunftspreis für Technik und Innovation geht an Professor Stefan W. Hell vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen für seine Idee, die Lichtmikroskopie über die damals bekannten Grenzen der Physik hinaus grundlegend zu verbessern. Das Ergebnis gab Bundespräsident Horst Köhler gestern im Rahmen einer festlichen Gala-Veranstaltung in Berlin bekannt.

„Solche Ideen sind der Stoff, aus dem die Zukunft unseres Landes ist: Denn im globalen Wettbewerb können wir nur bestehen, wenn wir in Wissen investieren und Innovationen ermöglichen“, sagte der Bundespräsident bei der Preisverleihung für das Projekt „Lichtmikroskopie in ungekannter Schärfe“. Es komme auf Einfallsreichtum und Gestaltungskraft an, um den Wohlstand zu sichern. Die nominierten Projekte seien beeindruckende Beispiele für die ganze Bandbreite des Innovationsgeschehens in Deutschland, so der Bundespräsident, bevor er den Preisträger 2006 verkündete.

Bahnbrechenden Ideen zur Verbesserung der Lichtmikroskopie

Prof. Dr. Stefan W. Hell © Deutscher Zukunftspreis, Ansgar Pudenz

Hell hat als Erster einen Weg gefunden, die 130 Jahre alte Abbesche Grenze im Fluoreszenzmikroskop zu überwinden, so die Jury. Das Neue an seinem Verfahren ist, dass die Schärfe nicht mehr durch die Lichtwellenlänge begrenzt ist. Hell ergänzte dazu die Abbesche Formel um einen entscheidenden Wurzelterm, der nun auch molekulare Auflösungen zulässt.

So erzielten Hell und seine Mitarbeiter bereits Auflösungen von 20 Nanometern, also 10fach über Abbes Grenze. Da Proteinkomplexe im Bereich 0,01 bis 0,2 Mikrometer liegen, hat dieses Mikroskop das Potenzial, in die molekulare Skala des Lebens vorzudringen und Krankheiten besser auf die Spur zu kommen. Erste wichtige Erkenntnisse wurden bereits gemacht: So konnte die STED-Mikroskopie einzelne Bläschen mit Nervenbotenstoffen (synaptische Vesikel) auflösen und damit eine wichtige Frage der Neurobiologie klären.

Abbes Beugungsgrenze behindert aber nicht nur den Einblick in die Zelle, sondern auch die Herstellung kleinster elektronischer Schaltkreise. Mit geeigneten schaltbaren Molekülen ließe sich Hells Prinzip umkehren und zum Herstellen feinster Nanostrukturen verwenden. Obwohl das Verfahren vermutlich für Massenspeicher zu langsam wäre, könnte man beliebig kleine Strukturen kundenorientiert anfertigen – und zwar mit sichtbarem Licht.

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Mikroskop 2007 auf dem Markt?

Die patentierte so genannte STED-Mikroskopie wurde an die in Wetzlar und Mannheim produzierende Leica Microsystems GmbH lizenziert. Leica entwickelt die STED-Mikroskopie zum marktfähigen Gerät.

"Die Firma Leica Microsystems in Mannheim hat angekündigt, das STED-Mikroskop 2007 auf den Markt zu bringen", sagte Hell. Es ist seit langem das erste kommerzielle Mikroskop mit einer deutlich höheren Auflösung. "Das sollte sich nicht schwer verkaufen." Auch die Herstellung von elektronischen Bauteilen und Chips könne die STED- Mikroskopie oder ein verwandtes Verfahren beschleunigen oder verbilligen. Die größte Wertschöpfung sei aber nicht im Nettoverkaufspreis pro Stück zu suchen.

Die wesentlich deutlicheren Einblicke ins Innere von Zellen werde neue Erkenntnisse in der Gesundheitsforschung schaffen und alles, was sich daraus ableitet: neue Therapieformen, neue Medikamente und die damit verbundenen Werte. "Dieser Markt hat nicht nur eine andere Größenordnung, sondern auch eine menschliche Dimension", so Hell.

Weitere nominierte Projekte

Nominiert für den Deutschen Zukunftspreis 2006 waren weiterhin nachfolgende Teams. Sie wurden vom Bundespräsidenten für ihre Leistungen mit einer Urkunde ausgezeichnet:

Dr. rer. nat. Karin Schütze (Sprecherin)

Dr. rer. nat. Carsten Hoyer

Dr. rer. nat. Yilmaz Niyaz

P.A.L.M. Microlaser Technologies, Bernried

Dr. Karin Schütze hat 1993 gemeinsam mit ihrem Mann, Dr. Raimund Schütze, ein Verfahren zur berührungsfreien Präparation biologischer Proben mit fokussiertem Laserlicht entwickelt. Diese Technologie hat sie mit ihrem Team systematisch präzisiert und in unterschiedliche marktreife Anwendungen umgesetzt.

Dr.-Ing. Jürgen Seekircher (Sprecher)

Prof. Dr.-Ing. habil. Peter M. Knoll

Dipl.-Ing. Manfred Meißner

DaimlerChrysler AG, Sindelfingen Robert Bosch GmbH, Driver Assistent Systems Business Unit, Leonberg

Die drei Nominierten stehen stellvertretend für eine rund 190-köpfige Entwicklungsmannschaft der Projektpartner DaimlerChrysler und Bosch. Sie haben gemeinsam ein bildgebendes System zur Verbesserung der Sicht bei Nacht realisiert, das sich durch ein hohes Unfallvermeidungspotenzial auszeichnet und somit das Autofahren bei Dunkelheit erheblich sicherer macht.

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Peter A. Tass (Sprecher)

Prof. Dr. med. Volker Sturm

Forschungszentrum Jülich in der Helmholtz-Gemeinschaft Universität zu Köln

Die Innovation der beiden Forscher zeigt neue Wege in der Behandlung schwerer Erkrankungen des Nervensystems wie der Parkinson-Krankheit auf. Sie entwickelten einen neuartigen Hirnschrittmacher, der mit Methoden der statistischen Physik und nichtlinearen Mathematik arbeitet und deutlich schonender und effektiver als bisherige Verfahren den Krankheitsprozessen entgegenwirkt.

Deutscher Zukunftspreis

Der mit 250.000 Euro dotierte Preis gehört zu den bedeutendsten Wissenschaftspreisen in Deutschland. Dabei ist der Deutsche Zukunftspreis mehr als das: Er zeichnet Projekte aus, die nicht nur von hoher wissenschaftlicher Qualität, sondern zugleich anwendungs- und marktreif sind. Seit 1997, als der Preis zum ersten Mal vergeben wurde, wurden damit jetzt 10 Projekte ausgezeichnet. Die Preisträger von 1999 waren Peter Gruss und Herbert Jäckle, wie Stefan Hell ebenfalls Direktoren am MPI für biophysikalische Chemie.

(idw – Deutscher Zukunftspreis / Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, 24.11.2006 – DLO)

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