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Mikrobiologie

Tiefe Biosphäre: Radioaktivität als Lebensquelle?

Neue Energiequelle der Mikroben in der Tiefen Biosphäre enthüllt

Bohrkern an Deck: Gasmasken schützen vor giftigem Schwefelwasserstoff. © Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie

Ohne Licht, ohne Luft und unter extremem Druck – das Leben in der Tiefen Biosphäre muss extrem feindlichen Bedingungen standhalten. Aber wie schaffen die Organismen das? Ein internationales Forscherteam aus den USA und Deutschland hat jetzt in der Zeitschrift „Science“ ein Modell veröffentlicht, das erklärt, wie Mikroorganismen möglicherweise durch die natürliche Radioaktivität tief im Meeresboden überleben können.

Man schätzt heute, dass zwischen zehn und 50 Prozent aller Biomasse auf der Erde tief im Boden steckt. Das fanden Forscher um Steven D´Hondt von der University of Rhode Island, USA, und Bo B. Jørgensen vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen bei ihren Bohrungen im Meeresboden im Rahmen des Ocean Drilling Programs bestätigt. Auf der Ausfahrt mit dem Forschungsschiff "Joides Resolution" entdeckten sie Leben im Meeresboden in bis zu 400 Meter Tiefe. Mit einem Bündel an neuesten Techniken aus den Bereichen Biogeochemie, Molekular- und Mikrobiologie sammelten und analysierten die Wissenschaftler umfangreiche Proben im Meeresgrund.

Die Tests zeigten: Die Bohrkerne enthielten lebende Mikroorganismen, eine Kontamination war ausgeschlossen. In den oberen Sedimenten zählten die Forscher bis zu 100 Millionen Einzeller pro Milliliter, tiefer unten in den bis zu 35 Millionen Jahre alten Sedimenten an der Erdkruste immerhin noch eine Million.

Woher kommt die Energie?

Die Wissenschaft steht vor einem Rätsel: Nur die obersten Schichten dieser Ablagerungen stehen mit dem Wasserkörper im Austausch – woher kommt also die Lebensenergie in der Tiefe der Sedimente? Legt man die in den Ablagerungen vorhandenen Energiequellen zugrunde, die in Form von organischen Kohlenstoffverbindungen den Zellen zur Verfügung stehen, kann man berechnen, dass die Zellen sich nur etwa alle tausend Jahre teilen können. Diese extrem langsame Verdopplungszeit ist mit dem jetzigen Verständnis von lebenden Zellen nicht in Einklang zu bringen.

Jørgensen und D’Hondt schlagen jetzt aufgrund ihrer Daten einen Prozess vor, der in großen Bereichen des Pazifischen Ozeans eine alternative Energiequelle für das Leben tief im Meeresboden darstellen könnte: die natürliche Radioaktivität. Wasser wird durch die radioaktive Strahlung zersetzt, die beim Zerfall von natürlich vorkommenden Isotopen von Kalium, Thorium und Uran entsteht. Dieser Prozess (Radiolyse) erzeugt Wasserstoff und Sauerstoff.

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Radioaktivität als Energiequelle?

Die Abschätzung der Energiebilanzen zeigt, dass dieser Prozess ausreichend Energie für die Mikroorganismen liefern kann. Damit wären die Lebewesen in der Tiefen Biosphäre unabhängig von den Prozessen auf der Erdoberfläche. Die Autoren weisen darauf hin, dass sich solch ein exotischer Lebensraum auch auf anderen Planeten fernab von Sonnen entwickelt haben könnte.

Im Dezember 2006 fahren die Forscher mit dem Bohrschiff "RV Roger Revelle" in den südlichen Pazifik. Dort, fernab von den Kontinentalschelfen, gibt es nur sehr geringe Mengen an Kohlenstoffverbindungen, die Mikroorganismen als Lebensgrundlage dienen können. Umso mehr sind sie gespannt auf die Sedimentproben vom Meeresboden.

(MPG, 13.11.2006 – NPO)

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