Warum erinnern wir uns bei manchen Ereignissen an jedes Detail, andere bleiben dagegen nur in groben Zügen im Gedächtnis? Amerikanische Neuroforscher haben jetzt herausgefunden, dass eine bestimmte Gehirnregion, die für die „Verpackung“ der Erinnerungen zuständig ist, den Unterschied macht. Ist sie während des Ereignisses aktiviert, bleiben die Details hängen, „schläft“ sie, erinnern wir uns nur an jeweils bestimmte Teilaspekte.
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Für ihre jetzt in „Neuron“ veröffentlichte Studie beobachteten Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in Irvine mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), was im Gehirn von Versuchspersonen geschah, wenn diese ein Ereignis durchlebten, dass viele zusammenhängende Details beinhaltete. Den 23 Probanden wurde während des fMRT jeweils eine Liste von Worten gezeigt, die in unterschiedlichen Farben dargestellt waren und zudem in einem von vier verschiedenen Quadranten des Bildschirms auftauchen konnten. Gleichzeitig mussten die Versuchspersonen entscheiden, ob die Worte ein belebtes oder unbelebtes Objekt repräsentierten.
In einem zweiten Durchgang wurden die bereits bekannten Worte mit neuen, zuvor nicht gezeigten gemischt, Farben und Positionen entsprachen zudem nicht denen des ersten Durchgangs. Die Probanden sollten die bekannten Worte identifizieren und sich daran erinnern, in welcher Farbe und in welchem Quadranten diese im ersten Durchgang dargestellt worden waren.
Scheitellappen entscheidend
Es zeigte sich, dass die Probanden, bei denen während des Lernens die für die Farbwahrnehmung verantwortliche Gehirnregion aktiv war, sich später ach an die Farbe des Wortes erinnern konnten, ähnliches galt für diejenigen, die sich an die Position erinnerten. So weit so nahe liegend. Doch die Überraschung kommt jetzt: Konnten sich die Probanden an alle Details erinnern – sowohl Farbe als auch Position – war während des Lernens eine andere wichtige Region tätig: Die Aufnahmen zeigten eine deutliche Aktivität des so genannten intra-parietalen Sulkus, einer Region im Scheitellappen der Großhirnrinde.
Offenbar ist diese Region speziell für die Bündelung aller Eigenschaften einer Erinnerung zuständig. Diese „Verpackung“ verknüpft alle Details eines zu einer bestimmten Zeit aufgenommenen Ereignisses, so dass dieses später gemeinsam mit den zentralen Aspekten wieder abgerufen werden kann. Ist diese Region während einer Wahrnehmung nicht aktiv, werden später nur einzelne Aspekte davon erinnert.
„Wir wissen, dass Menschen mit beschädigtem intra-parietalen Sulkus nicht die multiplen Aspekte eines Objekts erfassen können, wie beispielsweise seine Größe und Farbe“, erklärt Melina Uncapher, Hauptautorin der Studie. „Diese Studie liefert nun empirische Belege dafür, wie wichtig dieses Region für die Integration aller Bestandteile einer Erinnerung ist.“
Bündelung statt Einzelteile
„Erinnerung ist mehr als nur die Summe ihrer Teile. Eine vollständige Erinnerung an ein Ereignis erfordert die Verknüpfung und Verarbeitung seiner Eigenschaften als eine Einheit, bevor es gespeichert wird“, ergänzt Michael Rugg, Leiter des Zentrums für Neurobiologie des Lernens an der Universität von Kalifornien.
Die Studie liefert damit auch eine neurologische Basis für das, was Psychologen bereits seit Jahren immer wieder beobachten. Rugg: „Man kann aus einer Erinnerung nichts herausholen, das nicht schon zuvor gespeichert worden ist. Es ist nicht möglich, sich später an Dinge zu erinnern, denen man zuvor keine Aufmerksamkeit geschenkt hat.“
(University of California – Irvine, 10.11.2006 – DLO)