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Klima

Rekord-Ozonloch durch Chlor

Ozonschicht scheint sich trotzdem zu erholen, braucht aber noch Jahrzehnte zur Regeneration

Das Rekord-Ozonloch über der Antarktis im Oktober 2006 geht nicht so sehr auf die Belastung durch Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW) zurück. Vielmehr sind ein hoher Chlorgehalt und polare Luftwirbel hierfür verantwortlich. Trotzdem könnte nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) bald eine Trendwende in der Belastung der Ozonschicht erreicht sein. Denn die Schadstoffwerte in der Stratosphäre gehen langsam zurück, auch wenn es noch Jahrzehnte dauern wird, bis sich das Schutzschild der Erde von den Schäden der letzten Jahrzehnte erholt hat.

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„Wir müssen in den kommenden 30 Jahren regelmäßig mit einem Ozonloch über der Antarktis rechnen. Über dem Nordpol wird uns das wohl erspart bleiben, obwohl auch dort in den kommenden Jahren ein rekordverdächtiger Abbau der Ozonschicht eintreten kann.“ Das erklärte Dr. Wolfgang Steinbrecht, Ozon-Experte vom Meteorologischen Observatorium Hohenpeißenberg des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Hauptverantwortlich für den Abbau der Ozonschicht sind durch Menschen freigesetzte Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW) und bromhaltige Gase. Aufgrund internationaler Vereinbarungen geht der FCKW-Gehalt seit etwa 1994 zurück. Es hat jedoch zwischen zwei und sieben Jahren gedauert, bis dieser Rückgang auch die Ozonschicht in der Stratosphäre in acht bis 50 Kilometer Höhe erreicht hatte. In der oberen Stratosphäre und an den Polen ist der Rückgang noch gering.

Viel Chlor und Polarwirbel sind Ursache des Ozonlochs

Sehr hoch sind nach wie vor auch die Chlorwerte. Erst in 50 bis 60 Jahren, so Steinbrecht, werden Chlorwerte wie um 1980 erwartet, als die Ozonschicht noch weitgehend ungestört war. Vor diesem Hintergrund nach wie vor sehr hoher stratosphärischer Chlorbelastung sei auch das Rekord-Ozonloch vom Oktober 2006 zu sehen. Voraussetzung für jedes Ozonloch ist ein hoher Chlorgehalt. Hinzu kommen müssen aber noch, so der DWD-Experte, die Polaren Stratosphärenwolken (PSC). Auf ihrer Oberfläche wird Chlor aus chemisch trägen Verbindungen in hochreaktive Radikale umgewandelt. Sobald die Sonne aufgeht, zerstören diese innerhalb kurzer Zeit fast das ganze Ozon.

PSC entstehen in großem Ausmaß nur in der extrem kalten winterlichen Stratosphäre über der Antarktis, im so genannten Polarwirbel. In den Jahren 2002 und 2004 wurde dieser Polarwirbel durch Wettereinflüsse stark gestört. Es war in diesen Jahren wärmer, weit weniger PSC traten auf, der Ozonabbau war schwach. Zusätzlich wurde, wetterbedingt, mehr ozonreiche Luft aus den Tropen nachgeliefert. 2006 fielen jedoch laut DWD die Wetterbedingungen anders aus. Der Wirbel war sehr kalt und stabil. PSC traten vermehrt auf. Es wurde wenig ozonreiche Luft nachgeliefert. Steinbrecht: „Weil der Chlorgehalt praktisch genauso hoch lag wie in den Vorjahren, war der Ozonabbau rekordverdächtig. So bildete sich 2006 das größte Ozonloch aller Zeiten.“

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Bisher noch kein Ozonloch über dem Nordpol

Auch über der Arktis, also über dem Nordpol, kann es im Frühjahr zu starkem chemischen Ozonabbau kommen. Hier ist es aber in der Regel wärmer. PSC treten in geringerem Ausmaß auf. Der Wirbel wird viel häufiger gestört. Wetterbedingte Schwankungen von Jahr zu Jahr sind deswegen größer als über der Antarktis. Die Ozonwerte sind höher. Ein Ozonloch ist über der Arktis noch nicht aufgetreten. Wegen des nach wie vor hohen Chlorgehalts bleibt in den nächsten Jahren rekordverdächtiger Ozonabbau über der Arktis aber durchaus möglich.

Es gibt einen Bereich in der Atmosphäre, wo der leichte Chlor- Rückgang bereits positive Auswirkungen auf das Ozon zeigt. Das ist der Höhenbereich um 40 Kilometer in der oberen Stratosphäre in mittleren und niedrigen Breiten. Hier zeigen langjährige Satelliten- messungen der NASA sowie bodengestützte Messungen des Network for the Detection of Stratospheric Change, dass sich die seit 1980 beobachtete starke Ozonabnahme nicht mehr fortgesetzt hat. Seit etwa dem Jahr 2000 stagnieren dort die Ozonwerte auf niedrigem Niveau. Im Bereich von fünf Beobachtungsstationen haben die Ozonwerte sogar wieder leicht zugenommen.

Keine Entwarnung vor UV-Gefahren in Europa

Schwieriger sei die Situation bei der Ozon-Gesamtsäule zu beurteilen. Ihre Dicke ist das Maß für die Schutzwirkung der Ozonschicht vor ultravioletter Strahlung (UV). Weltweit hat die Ozon-Gesamtsäule seit 1980 um rund vier Prozent abgenommen. Gerade über Mitteleuropa tragen aber, so Steinbrecht, auch natürliche Faktoren zu Ozonschwankungen von zehn Prozent und mehr bei. Obwohl der erwartete Chlorrückgang zu einer Erholung der Ozon-Gesamtsäule führen sollte, sei angesichts der natürlichen Schwankungen davon noch nichts zu erkennen. „In den nächsten zehn bis 15 Jahre müssen wir deshalb in Europa regelmäßig mit niedrigen Ozon-Gesamtsäulen rechnen. Die Gefahren durch UV- Belastungen bleiben bestehen.“

(Deutscher Wetterdienst, 27.10.2006 – AHE)

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