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Biologie

Membranfusion in Zeitlupe

Neue Methoden zur Steuerung und Abildung der Membranfusion

Konfokale Mikroskopieaufnahme eines Lipidvesikels, das zwei fluoreszierende Farbstoffe enthält: (a) Zwei Vesikeln vor der Fusion (äquatorialer Abschnitt); (b) die Vesikeln verschmelzen durch Anwendung eines elektrischen Pulses; und (c) dreidimensionales Bild eines Vesikels mit zwei Domänen, erzeugt durch die Fusion von zwei Membranen, die unterschiedliche Moleküle enthalten. © MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung

Ohne Membranfusion, die Verschmelzung der Umhüllung unserer Zellen und Zellbestandteile geht kaum etwas im Körper. Doch bisher war dieser Prozess viel zu schnell, um direkt beobachtet zu werden. Jetzt ist es einem deutsch-französischen Forscherteam erstmals gelungen, eine solche Fusion kontrolliert in Gang zu setzen und dank digitaler Hochgeschwindigkeitsfotografie in Zeitlupe abzubilden. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences erschienen.

Allgegenwärtig und unentbehrlich

Die Membranfusion ist ein allgegenwärtiger Prozess in unserem täglichen Leben und essentiell für die Struktur und Dynamik der Zellen unseres Körpers. So ist die Verschmelzung unentbehrlich beim intrazellulären Transport von kleinen Bläschen, so genannten Vesikeln, die für die räumliche Organisation der Zellen, für die Kommunikation zwischen den Zellen und damit auch für die Ausscheidung von Hormonen, Neurotransmittern oder das Zellwachstum verantwortlich sind.

Darüber hinaus sind diese Prozesse entscheidend für die Übertragung verschiedener Krankheitserreger wie Viren und Bakterien. Trotz dieser umfassenden Bedeutung sind viele Aspekte der Membranfusion bislang noch nicht aufgeklärt. Diese Situation spiegelt sich einmal im Fehlen gut definierter Methoden wider, mit denen man die Verschmelzung der Membranen kontrolliert auslösen kann. Zum anderen läuft der Fusionsprozess sehr schnell ab und lässt sich bisher mit herkömmlichen Methoden nicht zeitlich verfolgen.

Vier Nanometer im Visier

Genau diese Lücke ist jetzt von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung und des Collège de France geschlossen worden. Sie entwickelten zwei unterschiedliche Verfahren für die Fusion von einschaligen Vesikeln. Diese besitzen zwar einen Durchmesser von vielen Mikrometern, bestehen aber nur aus einer einzigen Lipidmembran mit einer Dicke von etwa vier Nanometer. Obwohl eine solche Membran sehr viel dünner ist als das optische Auflösungsvermögen, kann man deren äußere Form mit Hilfe von Phasenkontrast- und konfokaler Mikroskopie beobachten.

Die experimentellen Verfahren präsentieren zwei verschiedene Methoden, um ein Paar dieser einschaligen Vesikel in engen Kontakt zueinander zu bringen, deren Fusion kontrolliert zu initiieren und die Dynamik des gesamten Vorganges abzubilden.

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Kontrollierte Fusion durch Ionen und elektrische Pulse

Im ersten Versuch wurden synthetische Rezeptor-Moleküle – hergestellt von den Partnern des Collège de France – in Lipidmembranen eingesetzt. Nachdem man zwei Vesikel mit zwei Glasmikropipetten angesaugt hatte, konnte man die Vesikelmembranen in Kontakt bringen. Die Membranfusion lösten die Forscher dann durch die Zugabe von Ionen aus. Dabei bilden die Ionen einen Komplex zwischen zwei Rezeptor-Molekülen, die in die gegenüberliegenden Membranen eingebettet sind.

Im zweiten Versuch brachten die Forscher dagegen zwei Lipidvesikel durch elektrische Wechsel-Felder in Kontakt miteinander. Sobald der Kontakt eng genug war, konnten sie die Membranfusion durch einen zusätzlichen elektrischen Puls auslösen. Dieser Puls führt direkt zur Bildung von Poren in den gegenüberliegenden Membranen. Die Ränder dieser Poren lagern sich so aneinander, dass es schließlich zur Fusion zwischen den Vesikeln kommt.

Porenbildung extrem schnell

Sowohl bei der Verschmelzung mittels Liganden als auch für die Elektrofusion konnten die Wissenschaftler die Dynamik des Vorganges beobachten. Dafür verwendeten sie eine sehr schnelle Digitalkamera mit einer Erfassungsrate von 20.000 Bildern pro Sekunde. Das entspricht einer Belichtungszeit von 50 Mikrosekunden. "Bisherige Bild gebende Verfahren waren bislang auf Verschlusszeiten von zig Millisekunden begrenzt. Die neuen Experimente verbesserten die Belichtungszeit um drei Größenordnungen und zeigen, dass der Fusionsprozess überraschend schnell verläuft", sagt Rumiana Dimova, Arbeitsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung.

In der Tat erlangt die Pore, die die beiden Vesikel miteinander verbindet, bereits einige hundert Mikrosekunden nach Beginn der Fusion einen Durchmesser von einigen Mikrometern. Das bedeutet, dass die durchschnittliche Ausdehnungsgeschwindigkeit der Pore bei einigen Zentimetern pro Sekunde liegt und deren anfängliche Bildung bereits innerhalb von 200 Nanosekunden abgeschlossen ist. Diese Werte stehen im Einklang mit Ergebnissen aktueller Computersimulationen, die ebenfalls an diesem Max-Planck-Institut durchgeführt wurden. Somit konnten die Forscher die Lücke schließen, die zwischen den Zeitskalen der Computersimulationen und denen vorheriger Experimente vorhanden war.

Erster Schritt hin zu neuen Anwendendungen

Die in der aktuellen Studie entwickelten experimentellen Fusionsprotokolle können auch auf andere biomimetische Systeme angewendet und für die Konstruktion völlig neuer Systeme eingesetzt werden. So lassen sich mit diesen Methoden auch gemischte Membranen untersuchen, die gleichzeitig Lipide und Rezeptor-Proteine wie z.B. SNAREs enthalten. Ein Beispiel für den Aufbau neuartiger biomimetischer Systeme ist die Bildung von großen Vesikeln mit verschiedenen Membran-Domänen.

Ein weiteres Beispiel sind Vesikel, die verschiedene chemische Reaktionspartner enthalten. Die Verschmelzung dieser Vesikel setzt die korrespondierenden chemischen Reaktionen in diesen sehr kleinen Reaktionskammern in Gang. Auf diese Weise könnten neue Nanomaterialien synthetisiert werden. Generell hat die kontrollierte Membranfusion viele potentielle Anwendungsmöglichkeiten in der Biotechnik, der Pharmazie und der Medizin.

(MPG, 23.10.2006 – NPo)

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