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Neurobiologie

Forscher stecken Mäuse mit Alzheimer an

Falsch gefaltetes Protein als Überträger?

Die Alzheimer-Krankheit kann in Mäusen durch eine Übertragung von falsch gefalteten Eiweißen ausgelöst werden. Dies haben Wissenschaftler vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung in Tübingen in einer neuen Studie herausgefunden. Sie berichten über den Prion-ähnlichen Mechanismus in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science.

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Vor genau hundert Jahren beschrieb der deutsche Neurowissenschaftler Alois Alzheimer die Symptome und typischen Gehirnveränderungen der später nach ihm benannten Alzheimer Krankheit. Diese Veränderungen sind gekennzeichnet durch den langsam fortschreitenden Verlust von Nervenzellen und Nervenzellkontakten. Die Folge ist Gedächtnisverlust, vermindertes Urteilsvermögen und Veränderungen der Persönlichkeit.

Bereits Alzheimer entdeckte bei der Untersuchung der Gehirne verstorbener Alzheimer Patienten Eiweißablagerungen, die so genannten Amyloid-Plaques, welche unter anderem für den Nervenzellverlust verantwortlich gemacht werden. Bekannt ist, dass diese Ablagerungen hauptsächlich aus dem Ab-Eiweiß bestehen. Weitgehend ungeklärt ist aber was diese Anhäufung von missgefaltetem Ab-Eiweiß in der Alzheimer Krankheit begünstigt.

In einer soeben im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichten Studie konnten nun Wissenschaftler um Professor Mathias Jucker vom Hertie-Institut zeigen, dass Gehirnextrakte verstorbener Alzheimer Patienten, nicht aber Extrakte von verstorbenen gesunden Personen, die Fähigkeit haben, die Krankheit in Mäusen zu induzieren.

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Dazu verwendeten die Forscher genetisch veränderte Mäuse, die mit zunehmendem Alter aufgrund ihrer genetischen Ausstattung prädisponiert sind, Amyloid-Plaques ähnlich derer von Alzheimer Patienten zu bilden. Wenn die Extrakte jungen Mäusen ins Gehirn injiziert wurden, entwickelten diese Mäuse bereits innerhalb von wenigen Wochen Amyloidablagerungen, ein Vorgang, der bei diesen Mäusen normalerweise mindestens ein Jahr dauert.

Gehirnextrakte lösen Plaquesbildung aus

Die gleiche Induzierbarkeit der Amyloid-Plaques konnten die Forscher nachweisen, wenn sie anstelle der Extrakte von Alzheimer Patienten, Extrakte von alten Mäusen mit Amyloidablagerungen in das Gehirn von jungen Mäusen injizierten. Indem Extrakte von genetisch verschiedenen, alten Mäusen in genetisch unterschiedlich junge Empfängertiere injiziert wurden, konnte gezeigt werden, dass nicht nur die Herkunft des injizierten Materials, sondern auch die genetische Prädisposition des Empfängertieres für die Induzierbarkeit der Amyloid-Plaques entscheidend ist.

Durch eine biochemische Entfernung des Ab-Eiweißes aus diesen Extrakten oder eine Behandlung der Extrakte mit Ameisensäure, die Eiweiß zerstörend wirkt, verloren die Hirnextrakte die Fähigkeit, die AlzheimerKrankheit zu induzieren. Zwar ist es bislang nicht gelungen, diese infektiöse Form des Ab-Eiweißes synthetisch herzustellen, die Forscher konnten jedoch zeigen, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine aggregierte Form des Ab-Eiweißes handelt.

Obwohl ein solcher Mechanismus große Ähnlichkeiten mit dem der Prionen-Erkrankungen aufweist, bei der abnormal gefaltete Prion-Eiweiße die Krankheit auslösen, gibt es bisher keinen Beweis dafür, dass Alzheimer übertragbar ist. Der Befund, dass die die Krankheit in Mäusen exogen induzierbar ist, gibt aber neuen Spekulationen Raum, dass Umwelteinflüsse neben genetischer Vorbelastung eine Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielen könnten.

(idw – Universitätsklinikum Tübingen, 22.09.2006 – DLO)

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