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Evolution

Kalkalgen trotzen sauren Meeren

Ozeanbewohner können sich besser an wandelnde Umweltbedingungen anpassen als bisher gedacht

Coccolithophoride © Markus Geisen, Alfred-Wegener-Institut

Meereslebewesen wie Kalkalgen können sich besser an wandelnde Umweltbedingungen wie versauernde Meere anpassen als bisher gedacht. Dies hat ein internationales Forscherteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung festgestellt.

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Bei schalenbildenden Meeresalgen verglichen die Wissenschaftler Laborexperimente mit Fossilfunden. Während die nur wenige tausendstel Millimeter großen Einzeller aus der Gruppe der Coccolithophoriden bei Zucht in unterschiedlich saurem Meerwasser Missbildungen des Kalkskeletts zeigten, wiesen Fossilfunde dieser Arten aus Perioden verschiedener Kohlendioxidkonzentrationen intakte Skelette auf.

Treibhausgase in den Meeren erschweren Wachstum

Nahezu die Hälfte des durch Verbrennung von fossilen Energieträgern freigesetzten Kohlendioxids wird von den Ozeanen wieder aufgenommen. Dadurch werden die Meere stetig saurer, was wiederum den Organismen den Aufbau ihrer Kalkskelette erschwert. Eine Bedrohung der Überlebensfähigkeit durch Versauerung der Meere wurde in den vergangenen Jahren bereits für Meerestiere wie Korallen oder Schnecken festgestellt. Laboruntersuchungen an den Coccolithophoriden genannten winzigen Meeresalgen zeigten nun ähnliche Ergebnisse.

"In Laborversuchen stellten wir fest, dass eine der beiden untersuchten Arten bei verminderten oder erhöhten Kohlendioxid-Konzentrationen im Meerwasser weniger Kalk bilden konnte", erklärt der Biologe Gerald Langer vom Alfred-Wegener-Institut. "Zusätzlich zur verringerten Kalkbildung treten Missbildungen bei den Kalkskeletten der Coccolithophoriden auf."

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Wichtige Winzlinge

Coccolithophoriden zählen aufgrund ihres zahlreichen Auftretens zu den bedeutendsten Primärproduzenten in den Weltmeeren und stehen an der Basis der Nahrungsketten. Durch ihr massenhaftes Auftreten in den Meeren beeinflussen Coccolithophoriden den globalen Kohlenstoffkreislauf und das globale Wetter- und Klimasystem, ein Ausfall dieser Organismen aufgrund Versauerung der Meere hätte tiefgreifende Folgen.

Wettlauf der Evolution

Ein Aussterben ist aber nicht zwangsläufig zu erwarten. Dies schließen die Forscher aus Gesteinsablagerungen, die zu fast hundert Prozent aus Kalkalgen bestehen, zum Beispiel die Kreidefelsen von Rügen. "Die Coccolithophoriden in den Kreidefelsen wurden unter zum Teil deutlich höherem Kohlendioxidgehalt im Meer abgelagert. Baufehler, wie wir sie in unseren Laborversuchen fanden waren bei den fossilen Kalkskeletten nicht festzustellen", erläutert Markus Geisen vom Alfred-Wegener- Institut. "Auch in Sedimentproben der letzten Eiszeit – mit niedrigeren Kohlendioxidwerten als heute – weisen die gleichen Arten wie die von uns im Labor getesteten keine Skelettdeformationen auf."

Der Widerspruch zwischen Laboruntersuchungen und Fossilbefunden erklärt sich aus Sicht der Wissenschaftler durch die evolutionäre Wandlungsfähigkeit der Arten. Umweltbedingungen sind auch ohne menschlichen Einfluss einem steten Wandel unterworfen, an den sich die Organismen anpassen müssen um nicht auszusterben. "In der Vergangenheit konnten sich Coccolithophoriden an veränderte Kohlendioxidkonzentrationen anpassen. Warum sollten sie es nicht auch in Zukunft können? Allerdings brauchen sie dazu etwas Zeit", meint Gerald Langer.

Anpassung braucht Zeit

Wie viel Zeit zu solchen Anpassungen benötigt wird, wollen die Forscher als nächsten Schritt bei Coccolithophoriden und anderen schalentragenden Meeresbewohnern untersuchen. Einig sind sie sich schon jetzt, dass evolutionäre Anpassungsprozesse bisher nicht ausreichend in den Vorhersagen zu Folgen des Klimawandels berücksichtigt werden.

Die Ergebnisse der Arbeiten, an denen neben dem Alfred-Wegener- Institut auch Wissenschaftler aus dem Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM Geomar in Kiel und dem Natural History Museum in London beteiligt waren, werden in Kürze im Fachblatt Geochemistry, Geophysics, and Geosystems veröffentlicht.

(idw – Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 20.09.2006 – DLO)

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