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Medizin

Helicobacter bringt Zellen durcheinander

Krebs und Infektionen - gibt es gemeinsame Mechanismen?

Das Bakterium Helicobacter pylori ist für die Entstehung von Magengeschwüren, aber auch von Magenkrebs, verantwortlich. Forscher aus Italien haben jetzt gezeigt, wie Helicobacter pylori in Zellen der Magenschleimhaut den ersten Schritt der Krebsentstehung auslöst. Sie stellten ihre Ergebnisse Ende letzter Woche auf dem Kongress Genomics and Cancer 2006 vor.

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Dr. Fabio Bagnoli, Novartis Vaccines, Siena, Italien, untersucht seit einiger Zeit, auf welche Art und Weise Helicobacter die Zellen der Magenschleimhaut entarten lässt. Wie eine ganze Reihe bakterieller Krankheitserreger auch, injiziert Helicobacter, der aufgrund spezieller Enzymausstattung die Säureattacken des Magens überlebt, ein Protein in die Epithelzellen der Magenschleimhaut. Bei anderen Erregern dient eine solche Protein-Injektion dazu, sich Zugang ins Zellinnere zu verschaffen.

Helicobacter jedoch, so stellte die Arbeitsgruppe aus Siena fest, bewirkt mit seinem CagA genannten Protein eine ganze Reihe dramatischer Veränderungen der Zellbiologie.

Helicobacter sorgt für ungeordnete Verhältnisse

Wie alle Epithelzellen haben auch die Zellen der Magenschleimhaut zwei verschieden definierte Seiten: Eine richtet sich nach außen, in den Hohlraum des Organs, die andere tritt mit der Blutversorgung des Gewebes in Kontakt. Zwischen den beiden Polen bilden die Zellwände über enge Kontakte eine dichte Barriere. Diese geordneten Verhältnisse bringt Helicobacter gehörig durcheinander.

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Nach CagA-Injektion verlieren die Epithelzellen ihre Polarität, die Kontaktstellen brechen auf. Die Zellen bilden füßchenartige Auswüchse, die ihnen Mobilität verleihen, und beginnen, die Basalmembran, die sie von den Blutgefäßen trennt, zu durchbrechen. CagA bewirkt Zellveränderungen, wie sie auch von manchen Krebsgenen ausgelöst werden. Die italienischen Wissenschaftler vermuten, dass CagA damit den ersten Schritt bei der Entwicklung von Magenkrebs auslöst.

DMBT1 als Schlüsselmolekül

Gibt es gemeinsame Mechanismen bei der Entstehung von Krebs, Infektionen und Entzündungen? Auch zu diesem Thema gab es auf dem Kongress neue Ergebnisse. Forscher um Privatdozent Dr. Jan Mollenhauer vom Deutschen Krebsforschungszentrum halten das Protein DMBT1 für ein Schlüsselmolekül bei solchen Krankheiten.

Das Gen für DMBT1 fiel zuerst durch seine Abwesenheit auf: In Zellen bösartiger Hirntumoren, so entdeckte Mollenhauer, fehlt die Erbinformation für DMBT1. Inzwischen ist bekannt, dass bei 84 Prozent aller Tumoren, die von Epithelzellen abstammen, das DMBT1-Gen ganz oder teilweise verloren gegangen ist.

Zahlreiche Ergebnisse belegen eine Rolle von DMBT1 auch bei der Infektabwehr. So bindet und verklumpt das Eiweiß Viren und Bakterien, die so wahrscheinlich ihre Infektionsfähigkeit verlieren. Außerdem lockt DMBT1 Immunzellen an den Ort des Geschehens.

Metaproteinen auf der Spur

Mollenhauers jüngste Ergebnisse zeigen, dass DMBT1 auch an entzündlichen Prozessen beteiligt ist. So steigern Zellen der Darmschleimhaut auf Entzündungsreize hin die DMBT1-Produktion. Das Protein NOD2, ein wichtiger und zentraler Sensor der Zelle für bakterielle Infektionen, gibt in Zellen der entzündeten Darmschleimhaut von Morbus-Crohn-Erkrankten das Signal zu einem starken Anstieg der DMBT1-Produktion.

Mollenhauer schließt aus all den Einzelergebnissen, dass komplexen Erkrankungen wie Krebs, Infektion und Entzündung gemeinsame molekulare Mechanismen zugrunde liegen, an denen übergeordnete Schlüsselmoleküle wie NOD2, DMBT1 und einige andere beteiligt sind. Solche Metaproteine, so spekuliert der Wissenschaftler, könnten als zentrale Angriffspunkte für die Behandlung einer ganzen Reihe von Erkrankungen geprüft werden.

(idw – Deutsches Krebsforschungszentrum, 18.09.2006 – DLO)

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