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Geowissen

Erde „kippte“, um Balance zu halten

Erste Hinweise auf Polwanderung vor 800 Millionen Jahren

Polwanderung © Princeton University

Die Kontinente der Erde wandern normalerweise sehr langsam – maximal wenige Zentimeter pro Jahr. Aber es geht auch anders: Denn Wissenschaftler haben jetzt Hinweise auf eine so genannte „echte polare Wanderung“ vor 800 Millionen Jahren entdeckt. Ausgelöst durch extrem ungleiche Verteilung von Masse auf oder unter der Erdoberfläche „verrutschten“ dabei die Erdplatten so stark, dass der gesamte Planet sich sozusagen auf die Seite drehte.

Die Theorie der “echten polaren Wanderung“ entstand bereits vor 140 Jahren, hatte aber lange Zeit nur „Außenseiterstatus“. Wenn sich ein Objekt einer ausreichenden Masse – wie beispielsweise ein Supervulkan – weit entfernt vom Äquator bildet, so die Theorie, dann zieht die Fliehkraft der Erdrotation diese Masse allmählich von der Rotationsachse der Erde weg. Wenn aber die Balance der Landmassen stark genug gestört ist, dann kippt der Planet selbst und rotiert in der neuen Ausrichtung bis die Masse an einem Punkt entlang des Äquators ausgerichtet ist.

Kontinente „kippen“

Bei diesem Vorgang bleibt die Ausrichtung der Rotationsachse relativ zum restlichen Sonnensystem gleich, es verschiebt sich nur sozusagen die „Haut“ des Planeten. Vergleichbar einem sich schnell drehenden Ball, der ein Bleigewicht nahe einem seiner Pole trägt. Er wird bei schneller Rotation seine Ausrichtung so verändern, dass zwar die Drehrichtung gleich bleibt, aber der Ball selbst sich so dreht, dass die Masse genau im „Äquator“, der Zone der stärksten Fliehkraft liegt.

„Planetenforscher ziehen die echte Polwanderung immer noch für andere Planeten in Betracht, wie den Mars, wo eine große Masse vulkanischen Gesteins namens Tharsis am marsianischen Äquator sitzt“, erklärt Adam Maloof von der Princeton Universität. Der größte Vulkan des Sonnensystems könnte ursprünglich weit entfernt vom Äquator entstanden sein, und dann durch ein Kippen des Planeten in Richtung des Äquators verschoben worden sein.

Ob ein solcher Prozess auch auf der Erde stattgefunden haben kann, war jedoch bisher umstritten. Im Gegensatz zur sehr langsamen, nur zentimeterweise fortschreitenden Drift der Kontinente im Rahmen der Plattentektonik verschiebt die Polwanderung den Planeten um gleich mehrere Meter pro Jahr, rund zehn bis hundert Mal schneller als die Kontinentaldrift. „Weil die Erde sich konstant verändert während die Kontinente wandern und die ozeanischen Krustenplatten über und untereinander gleiten, ist es schwieriger Beweise dafür zu finden, dass auch unser Planet vor hunderten von Millionen Jahren kippte“, so Maloof.

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Sedimente liefern lang gesuchten Beweis

Dies gelang den Wissenschaftlern nun durch die Untersuchung der magnetischen Eigenschaften von Sedimenten der norwegischen Svalbard-Inseln. Das auf den Ozeanboden sinkende Sediment konserviert die Ausrichtung des irdischen Magnetfelds und den Verlauf der Magnetlinien zum Zeitpunkt ihres Absinkens. Wenn daher ein Gestein durch größere Veränderungen seine Ausrichtung im Nachhinein geändert hat, ist dies an einer magnetischen Anomalie zu erkennen – die Magnetsignatur passt nicht mehr zur Ausrichtung der übrigen Gesteine.

„Wir haben genau solche Anomalien in den Svalbard-Sedimenten gefunden“, erklärt Maloof. „Wir haben uns bemüht, eine andere Ursache für solche Anomalien zu finden, wie eine schnelle Rotation des Krustenstücks auf dem die Inseln liegen, aber keine der Alternativen machen so viel Sinn wie ein echtes Polwanderungsereignis, wenn man den Kontext der geochemischen Daten und der Daten über die Meeresspiegelentwicklung der gleichen Gesteine mit einbezieht.“ Die Forscher veröffentlichten ihre Daten im Bulletin der Geological Society of America.

Veränderungen der Meereschemie erklärt

Schon länger ist bekannt, dass sich vor rund 800 Millionen Jahren sich Meereschemie grundlegend wandelte. In anderen Zeitaltern stand dies meist in Zusammenhang mit einer Eiszeit, für die jedoch in diesem Falle jede Spur fehlt. „Die Veränderungen in den Meeren zu dieser Zeit bleiben eines der großen Mysterien in der Geschichte unseres Planeten“, so der Forscher. „Aber wenn alle Kontinente plötzlich herumgeschoben worden wären und ihre Flüsse Wasser und Nährstoffe plötzlich in die Tropen statt in die Arktis transportierten, so hätte dies die mysteriösen Veränderungen auslösen können, die die Wissenschaft so lange versucht hat zu erklären.“

Die Sedimente aus Norwegen bieten nach Ansicht der Forscher daher den ersten guten Beweis dafür, dass es ein echtes Polwanderungsereignis vor rund 800 Millionen Jahren gegeben hat“, erklärt Maloof. „Wenn wir jetzt unterstützende Hinweise auch aus anderen Teilen der Welt finden, gibt uns dies eine gute Vorstellung davon, dass unser Planet zu dieser Art von dramatischen Veränderungen fähig ist.“

Eine Gefahr für ein ähnliches Ereignis in der Zukunft besteht allerdings nach Ansicht des Forschers nicht. „Wenn sich eine echte Polwanderung in der Geschichte der Erde ereignet hat, dann am wahrscheinlichsten dann, als die Kontinente eine einzige Landmasse auf einer Seite der Erde bildeten“, so Maloof. „Wir erwarten kein weiteres Ereignis dieser Art in der nahen Zukunft. Denn die Oberfläche der Erde ist heute recht gut ausbalanciert.“

(Princeton University, 28.08.2006 – NPO)

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