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Physik

Plasmaforschung im All

Astronaut Thomas Reiter experimentiert an komplexen Plasmen

Plasma stellt neben Feststoffen, Flüssigkeiten und Gasen den vierten Aggregatzustand von Materie dar. Doch obwohl außerhalb unserer Erde fast alle sichtbaren Stoffe als Plasma vorliegen, ist dieser Materiezustand bislang kaum erforscht. Um mehr Licht in die so genannten Phasenübergängen in komplexen Plasmen zu bringen, führt der deutsche Astronaut Thomas Reiter nun entsprechende Experimente an Bord der internationalen Raumstation ISS durch.

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Auf der Erde sind alle Stoffe in drei Aggregatzuständen gebunden: fest, flüssig und gasförmig. Im Universum ist das anders. Die Sterne, das Polarlicht und die Gasnebel – mehr als 99 Prozent aller sichtbaren Materie im Weltraum befindet sich in einem weiteren, vierten Aggregatzustand: dem Plasma. Dieses Gas ist so heiß, dass es sogar die robustesten Bindungen auseinander reißt, die die Natur geschaffen hat: die Atome. Denn bei extrem hohen Temperaturen und Dichten prallen die einzelnen Atome mit so großen Geschwindigkeiten aufeinander, dass sie zerbrechen. Die Folge: ein Durcheinander aus positiv geladenen Atomrümpfen, den Ionen, und negativen Elektronen.

Ordnung durch Plasmakristalle

Mikropartikel verleihen diesem Teilchen-Chaos eine Struktur, indem sie die freien Elektronen und Ionen aufsammeln. Da Elektronen jedoch viel beweglicher sind als die schwereren Ionen, treffen sie wesentlich häufiger auf die Oberfläche der Mikropartikel. Die Teilchen laden sich elektrisch auf und beginnen miteinander zu wechselwirken. Und damit erreichen sie einen neuen Materiezustand: das komplexe Plasma. Wissenschaftler können den Zustand des komplexen Plasma dann gezielt ändern: in gasförmig, flüssig oder kristallin. In Plasmakristallen ordnen sich die Mikropartikel in regelmäßigen Abständen von einem Zehntel Millimeter zueinander an. Dies ermöglicht es den Forschern, die Partikel nun einzeln zu beobachten. Zum Beispiel dann, wenn sie ihren Aggregatzustand ändern – ein Vorgang, der bis heute noch nicht vollständig verstanden ist.

An Bord der ISS wird der deutsche Astronaut Thomas Reiter in drei Versuchen komplexe Plasmen untersuchen. Das letzte dieser Experimente soll die physikalischen Vorgänge am kritischen Punkt erforschen. Oberhalb dieses Punktes, abhängig von kritischer Temperatur und Druck eines Stoffes, gleichen sich die Aggregatzustände flüssig und gasförmig an – ein Unterschied zwischen diesen beiden Materienzuständen existiert nicht mehr. Die Mikropartikel bewegen sich dann so dynamisch wie ein Gas, ihre Dichte ändert sich aber nicht und bleibt die einer Flüssigkeit. "Wir sind uns aber gar nicht sicher, ob wir den kritischen Punkt überhaupt erreichen", sagt Dr. Hubertus Thomas vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der unter der Leitung von Prof. Gregor Morfill vom MPE und Professor Vladimir Fortov vom IHED an dem Projekt arbeitet. "Die Experimente sind ein erster Schritt, um die benötigten hohen Temperaturen und Dichten zu erzielen, die wir brauchen, um in Zukunft zum kritischen Punkt zu gelangen."

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Schwerelosigkeit notwendig

Bereits im vergangenen Dezember haben die Forscher das Versuchslabor PK-3 Plus, einen 60 mal 80 Zentimeter großen Messzylinder, mit einem russischen Progress-Transporter zur ISS geschickt. "Die Schwerelosigkeit ist die wichtigste Bedingung, um intensiv an Plasmakristallen zu forschen", sagt Thomas. Denn die Schwerkraft presst die Mikropartikel nach unten, sie sedimentieren. Auf der Erde müssen die Wissenschaftler deshalb ein starkes elektrisches Feld aufbauen, um die Teilchen in der Schwebe zu halten. Da Plasma jedoch elektrisch neutral ist, gelingt das nur in einem schmalen Feld nahe der Elektrode. In der Schwerelosigkeit brauchen die Wissenschaftler diese Felder nicht. In ihrem Forschungslabor auf der ISS bauen sie weitaus größere Plasmakristalle – und können die Wechselwirkungen zwischen den Mikroteilchen damit besser erforschen.

(Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, 17.08.2006 – AHE)

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