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Genetik

Forscher entschlüsseln „Frostschutz“-Gene

Sequenzierung von Kieselalgen-Erbgut soll Ursachen der Kälteresistenz klären

Pfannkucheneis mit Algenbewuchs © Gerhard Dieckmann, AWI

Wie schaffen es Mikroorganismen, im Eis der Polregionen trotz Temperaturen von minus 30 Grad Celsius, hohen Salzkonzentrationen und wenig Licht zu überleben? Dieses Rätsel will jetzt ein internationales Wissenschaftler-Team lösen. Die Forscher entschlüsseln dazu erstmals das Erbgut eines höheren Einzellers aus den Polarregionen – das der Kieselalge Fragilariopsis cylindrus. Sie versprechen sich von der Sequenzierung, die Gene zu entschlüsseln, die die Eigenschaften zur Anpassung an die extremen Umweltbedingungen in den Polargebieten enthalten.

Kieselalgen oder Diatomeen sind mikroskopisch kleine, einzellige Algen, die in allen Gewässern leben. Sie sind in Süß- und Meerwasser und sogar im Meereis zu finden. Diese winzigen Organismen bauen aus Nährstoffen Biomasse auf, binden dabei Kohlenstoff und setzen Sauerstoff frei.

Um in den Polargebieten zu existieren, müssen Lebewesen an die dort herrschenden Umweltbedingungen angepasst sein. Das Meereis ist ein Ort mit extremen Bedingungen. Diatomeen besiedeln dort die Kanäle, die beim Gefrieren von Meerwasser entstehen. Hier gibt es Temperaturen bis minus 30 Grad Celsius, Salzgehalte bis zur vierfachen Meerwasserkonzentration und nur sehr wenig Licht. Trotz dieser scheinbar lebensfeindlichen Bedingungen hat sich eine sehr erfolgreiche Eispopulation gebildet, zu der auch die Kieselalgen-Gattung Fragilariopsis gehört.

Kleine Algen mit großer Bedeutung

Fragilariopsis cylindrus kommt sowohl im offenen Wasser als auch im Meereis vor und steht am Anfang der Nahrungskette. Sie ist im Nordpolarmeer und in den Gewässern der Antarktis verbreitet. Im Meereis bilden Diatomeen große Biomassen mit bis zu 1000-fach höherer Chlorophyll-Konzentration als im offenen Wasser. Diese Population speist das gesamte Ökosystem Polarmeer, wenn im Frühjahr die Primärproduktion mit der Rückkehr des Sonnenlichts ansteigt. Wenn sich die Ausdehnung und die Dicke des Meereises durch Klimaveränderungen verringert, kann dies daher weit reichende Folgen für das gesamte Ökosystem haben.

Diatomeen © Richard Crawford, AWI

Durch die große Bedeutung von F. cylindrus in polaren Ökosystemen entschied das Joint Genome Institut (JGI) des Department of Energy (DOE) in den USA, diese Kieselalge zu sequenzieren. Das internationale Projekt findet unter der Leitung der University of Washington, Seattle, USA statt. Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung beteiligt sich zusammen mit der Ecole Normale Supérieure in Paris an der Kultivierung der Alge und Auswertung der Daten.

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Auch Braun- und Rotalgen im Visier der Forscher

Einige Anpassungsmechanismen an die Extrembedingungen in den Polargebieten sind bereits erforscht, aber die Gene, die für diese Eigenschaften verantwortlich sind, kennt man noch nicht.

Ziel des Projektes ist es deshalb, das vollständige Genom der polaren Kieselalge Fragilariopsis cylindrus zu entschlüsseln. Durch den Vergleich mit Genomen von Diatomeen aus den gemäßigten Breiten (Thalassiosira pseudonana, Phaeodactylum tricornutum) hoffen die Wissenschaftler, die Gene zu identifizieren, die für die Anpassung an die Extrembedingungen in Arktis und Antarktis nötig sind.

Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts sind außerdem an der Sequenzierung eines Eisbakteriums, der ersten Braunalge und der ersten Rotalge beteiligt. Das Genomprojekt mit Fragilariopsis cylindrus ist eingebunden in das Community Sequencing Program (CSP) des JGI. Weitere Projektpartner sind Professor E. Virginia Armbrust und Micaela Parker von der University of Washington, sowie Professor Chris Bowler an der Ecole Normale Supérieure (ENS) in Paris und Klaus Valentin vom Alfred-Wegener-Institut.

(idw – Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, 15.08.2006 – DLO)

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