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Genetik

DNA "überdreht" beim Dehnen

Verhalten der Doppelhelix sorgt für Überraschung

Modell des DNA-Verhaltens © Berkeley Lab

Ein einzelnes Molekül der menschlichen DNA misst im Normalzustand gerademal einen Millionstel Zentimeter, voll ausgestreckt allerdings wäre es knapp einen Meter lang. Geheimnis dieser Wandelbarkeit ist die Doppelhelix-Windung des Erbmoleküls. Doch diese verhält sich komplett anders, als es die Wissenschaftler erwartet hätten: Anstatt sich beim Strecken zu entwinden, „überdreht“ die Spirale, wie Forscher jetzt in „Nature“ berichten.

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Die typische Dopelhelix-Form der DNA gleicht einer in sich gedrehten „Strickleiter“ aus zwei Seitensträngen und den Basen als Leitersprossen. Ihre Struktur und räumliche Orientierung sind für die Vermittlung und Ablesung genetischer Information entscheidend. Wissenschaftler am Lawrence Berkeley National Laboratory um Carlos Bustamante haben jetzt erstmals in einem Experiment getestet, wie sich die Helix verhält, wenn sie auseinandergedehnt wird.

Sie nutzten dafür ein „rotor bead tracking“ genanntes Verfahren. Dabei wird ein einzelnes DNA-Molekül mit einem Ende an einer Oberfläche verankert, am anderen Ende wird ein magnetisiertes Kügelchen befestigt. Dieses dient als „Anfasser“ für genaue und gezielte Dehnungen der Doppelhelix. An einem Punkt zwischen beiden Enden wird der Doppelstrang biochemisch „angeschnitten“, so dass ein loses Ende entsteht. An diesem befestigen die Forscher eine mit fluoreszierender Farbe überzogene Plastikkugel, den so genannte „Rotor“, an dem sie die Drehungen der Helix nachverfolgen können. “Wenn wir Spannung im DNA-Molekül erzeugen, spiegeln die Veränderungen in der Ausrichtung des Rotorkügelchens Veränderungen in der Windung des unteren DNA-Segments wieder“, erklärt Bustamante.

Überdrehen statt Abwickeln

Die Wissenschaftler erwarteten, dass sich die Doppelhelix bei Dehnung beginnt abzuwickeln. Doch das Ergebnis ihres Experiments sah ganz anders aus: Denn bis zu einer Stärke von etwa 30 picoNewton – eine Kraft etwa eine Milliarde mal geringer als die, die einen Apfel zu Boden fallen lässt – nahm die Drehung der Helix nicht etwa ab sondern sogar zu. Erst oberhalb dieser Schwelle kehrte das Molekül wieder zum „normalen“ Verhalten zurück.

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Dieses „Überdrehen“ unter Dehnung macht zudem die DNA nicht etwa kürzer, sondern länger. „Die Überdrehung beim Dehnen deutet an, dass im Gegensatz zur landläufigen Annahme die Korrelation zwischen Dehnung und Torsion negativ ist“, erklärt Bustamante. „Nach dieser Beobachtung müsste auch das Molekül länger werden, wenn wir es überdrehen. Und tatsächlich stellten wir fest, dass sich das Molekül bei Überdrehung um rund 0,5 Nanometer pro Umdrehung verlängerte.“

Die Ursache dieses scheinbar paradoxen Verhaltens erklären die Forscher anhand eines einfachen Modells: eines elastischen Stabs, der mit einem steifen Draht umwickelt ist. Das Material des Stabes behält sein Volumen unter Stress, wird es in die Länge gezogen, verringert sich daher als Ausgleich sein Radius. „Dadurch kann sich der Draht häufiger um die Länge des Stabes wickeln“, so Bustamante. Als Folge nimmt die Torsion zu.

Neues Licht auf Protein-DNA-Interaktionen

Dieser neue Zusammenhang zwischen Dehnung und Torsion gibt wertvolle Einblicke unter anderem in das Verhalten von DNA-bindenden Proteinen. Diese docken an spezifischen Zielstellen der Doppelhelix an und bringen die DNA durch Dehnen, Biegen und Verdrehen in ihre kompakte äußere Form, wie sie beispielsweise bei der Zellteilung in den Chromosomen vorliegt.

„Wir glauben, dass unsere Arbeit Licht auf ein altes und wichtiges Problem wirft“, erklärt der Wissenschaftler. „Zusätzlich zum besseren Verständnis der DNA-Protein-Interaktion hat es aber auch Auswirkungen auf die Nanotechnologie. So könnte das DNA-Molekül beispielsweise eingesetzt werden, um zukünftige Nanomotoren anzutreiben.“ Wie das Gummiband in alten Aufziehautos würde dann die Torsion der Helix die nötige Energie liefern.

(Berkeley Lab, 09.08.2006 – NPO)

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