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GeoUnion

Gase verraten Vulkanausbruch?

Ein Interview über Forschungsarbeiten am Frühwarnsystem des Hochrisikovulkans Merapi

Dom des Merapi, Indonesien © B. Lühr, GFZ-Potsdam

Der Merapi auf der indonesischen Insel Java ist einer der aktivsten Vulkane der Welt. Um die Einwohner der nahen Millionenstadt Yogyakarta zu schützen, arbeiten Wissenschaftler ständig an der Verbesserung des bestehenden Vorhersage- und Frühwarnsystems. So auch Gudrun Richter von der Universität Potsdam, die im Rahmen ihrer Doktorarbeit die Temperaturschwankungen an den so genannten Fumarolen des Merapi untersucht. In einem Interview gibt die Geophysikerin Auskunft über erste Erfolge Ihrer Arbeit.

GeoUnion:

Was macht den Merapi so gefährlich?

Richter:

Das Problem ist, dass der Vulkan in den letzten zweihundert Jahren nahezu dauerhaft aktiv gewesen ist. Diese Aktivität verläuft allerdings größtenteils effusiv, das heißt ruhig. Denn da die Lava am Merapi sehr zähflüssig ist, fließt sie nicht in Form eines Lavastroms ins Tal. Vielmehr bewegt sie sich nur langsam und bildet am Gipfel einen Lavadom.

Erst wenn von diesem Lavadom große Teile instabil werden und abbrechen, spricht man von einem Ausbruch. Es entstehen so genannte pyroklastische Ströme: diese Block- und Aschenströmen sind über 400 °Celsius heiß und laufen in hoher Geschwindigkeit mehrere Kilometer weit die Flusstäler entlang. Folglich sind die Übergänge zwischen ruhiger und gefährlicher Aktivität fließend.

GeoUnion:

Können Sie kurz erklären, was Fumarolen sind?

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Richter:

Fumarolen sind kleine Löcher oder Spalten, an denen heiße Gase des Magmas aus dem Untergrund entweichen. Dies geschieht dort, wo Schwächezonen im Untergrund wie Spalten oder Risse vorhanden sind, durch die Gase strömen können. Fumarolen befinden sich meistens relativ dicht an den Eruptionszentren.

GeoUnion:

Warum liefern diese Gase einen Hinweis auf einen bevorstehenden Ausbruch?

Richter:

Die Menge, Zusammensetzung und Temperatur der Gase zeigt an, wie weit sich frisches Magma unterhalb der Oberfläche befindet. Hierzu muss man wissen, dass das Magma erst durch leicht flüchtige Bestandteile, die so genannten Volatile, zum Aufsteigen getrieben wird.

Gudrun Richter © Gudrun Richter

Da diese das Magma leichter machen als das umgebende Gestein in der Erdkruste, entsteht ein physikalisch bedingter Auftrieb. Je weiter das Magma jedoch nach oben gelangt, desto geringer wird gleichzeitig der Druck der darüber liegenden Gesteinspakete – die Volatile werden mobil. Dass heißt, sie können als Gas aus dem Magma entweichen und unter anderem durch die Fumarolen an die Oberfläche gelangen.

GeoUnion:

Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Bewertung dieser Gasparameter?

Richter:

Es gibt eine deutliche Temperaturdifferenz zwischen ungefähr 1.000° Celsius des Gases im Magma und rund 400° Celsius an den Fumarolen. Dies bedeutet, dass das Gas auf seinem Weg an die Oberfläche stark abkühlt. Verantwortlich hierfür sind vor allem Reaktionen mit dem Regenwasser, Grundwasser oder dem Hydrothermalsystem. So kann die Fumarolentemperatur allein durch einen tropischen Regen über einhundert Grad Celsius abkühlen.

Im Vergleich dazu sind Anstiege um acht Grad Celsius verschwindend gering, die vermutlich durch Entgasungsereignisse des Magmas zu beobachten sind. Somit ist sowohl die Trennung dieser verschiedenen Signale als auch die Bestimmung ihrer Ursachen äußerst schwierig. Denn um diese verstehen zu können, müssen weitere Daten über seismische Ereignisse, Deformationen oder Regen vorhanden sein.

GeoUnion:

Wo sehen Sie in Zukunft weiteren Forschungsbedarf?

Richter:

Um die Prozesse im Vulkan besser erfassen und verstehen zu können, besteht noch an sehr vielen Stellen Forschungsbedarf. So benötigt beispielsweise die Gasüberwachung an Vulkanen hohe Messraten. Auch sind die Wechselwirkungen zwischen dem Wetter und dem aktiven Vulkan nicht sehr gut erforscht, obwohl immer wieder erzählt wird, dass Vulkanausbrüche nach tropischem Regen stattfanden.

GeoUnion:

Wie funktioniert denn das bisherige Vorhersage- und Frühwarnsystem?

Richter:

Eine richtige Vorhersage ist noch nicht möglich. Allerdings gibt es seit Jahrzehnten ein recht erfolgreiches Frühwarnsystem, das vor allem auf den beobachteten seismischen Signalen basiert. Diese Erschütterungen zeigen an, wo sich das frische Magma aus dem Erdmantel seinen Weg durch die Erdkruste oder das Vulkangebäude sucht. Am Merapi werden mehrere Arten von seismischen Signalen vulkanischen Ursprungs unterschieden. Diese zeigen an, ob das frische Magma noch einige Kilometer unterhalb des Vulkangebäudes ist, ob es sich schon im Vulkangebäude befindet oder ob der Lavadom wächst.

Landwirtschaft am Merapi © Gudrun Richter

Vorsicht ist geboten, wenn Hunderte von diesen seismischen Signalen auftreten und außerdem Steinschläge in ähnlicher Anzahl die Instabilität des Lavadoms belegen. Dann werden die Alarmstufen erhöht und möglicherweise Evakuierungen eingeleitet. Zusätzlich werden auch Deformationen des Gipfelbereiches gemessen. Visuelle Beobachtungen der Entgasung sowie der Größe und Form des Lavadoms helfen zu entscheiden, an welchen Flussläufen und Hängen die größte Gefahr besteht.

GeoUnion:

Sie sind viel im Umfeld des Merapi unterwegs. Was war dort Ihr bislang faszinierendstes Erlebnis?

Richter:

Ein beeindruckendes Ritual findet nachts vor dem Aufstieg am Fuß des Merapi statt. Stundenlang feilschen unsere indonesischen Kollegen mit den Trägern ernst aber freundschaftlich um den Preis. Bei Dämmerlicht in der Hütte und einem heißen Tee schafft dies eine ganz besondere Atmosphäre und gibt einen tiefen Einblick in die Lebenswelt der Einheimischen.

(Gudrun Richter (Universität Potsdam), 08.08.2006 – AHE)

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