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Geowissen

Supraleiter verblüffen Forscher

Hoch- und Tieftemperatur-Supraleiter ähnlicher als gedacht

Raster- Tunnel- Mikroskop- Aufnahme einer Probe eines Cuprat-Supraleiters © Cornell University

Eine große Überraschung erlebten amerikanische Wissenschaftler, als sie das Verhalten von so genannten Hochtemperatur-Supraleitern mithilfe eines neuen Verfahrens erstmals auf der Ebene einzelner Atome beobachteten. Denn die Mechanismen, die diesen Materialien ihre nahezu widerstandsfreie Leitfähigkeit verleihen, ähneln in verblüffender Weise denen der Niedrigtemperatur-Supraleiter. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature berichten, widerspricht dies den bisherigen Annahmen.

Supraleiter sind meist metallische Materialien, die bei entsprechender Kühlung elektrischen Strom fast ohne Widerstand leiten können. Wird die Schwellentemperatur unterschritten, verlieren sie fast sprunghaft ihren Widerstand und ändern auch ihr magnetisches Verhalten. Während normalerweise der elektrische Widerstand durch die Interaktion von Elektronen mit winzigen Fehlern im Kristallgitter zustande kommt, verbinden sich bei der Supraleitung Elektronen zu Elektronenpaaren und diese geben keine Energie mehr an das Gitter ab – die hemmende Interaktion ist unterbunden, der Widerstand verschwindet.

Während die Hochtemperatur-Leiter dafür „nur“ bis auf die Temperaturen von flüssigem Stickstoff heruntergekühlt werden müssen, ist dies bei „normalen“ Supraleitern nicht ausreichend. Sie zeigen ihre besondere Leitfähigkeit erst nahe dem absoluten Nullpunkt. Wissenschaftler der Cornell Universität in Ithaca um den Physiker Séamus Davis untersuchten das Verhalten von bestimmten modifizierten Kupferoxiden, den Cupraten. Diese gelten als Hochtemperatur-Supraleiter, da sie bereits bei etwa minus 123 Grad Celsius supraleitend werden. In der Industrie werden sie häufig eingesetzt, da sie im Gegensatz zu normalen Supraleitern mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden können.

Atomverhalten im Rastertunnelmikroskop

Die Forscher bauten ihre Analyse auf einer vor einem Jahrzehnt an der Cornell Universität entwickelten Methode auf, die es erlaubt, die Vibrationen von einzelnen Atomen zu messen. Jetzt wendeten Davis und Kollegen diese auf der Rastertunnelmikroskopie beruhende Methode erstmals an, um eine größere Probe zu messen. Als Probe nutzten sie Bimsmut-Strontium-Calcium-Kupfer-Oxid, ein Cuprat, das unterhalb von -185,15 Grad Celsius supraleitend wird. An jeder Position ihrer Durchmusterung führten die Wissenschaftler mehrere Messungen durch, darunter eine um die Präsenz von so genannten gepaarten Elektronen festzustellen und eine, die die Präsenz von Vibrationen im Kristallgitter des Supraleiters zeigen sollte.

Vibration statt Magnetfelder?

„Unsere Haupterwartung war es, dass die Elektronenpaarung in Cupraten auf magnetische Interaktionen zurückgehen würde“, erklärt Davis. „Das Ziel unseres Experiments war es, diese magnetische ‚Klebe’ zu finden.“ Stattdessen stellten die Forscher fest, dass die Interaktion der Elektronen mit vibrierenden Atomen des Kristallgitters anders aussah, als bisher angenommen. Nicht Magnetkräfte, sondern die Wechselwirkung mit den schwingenden Atomen des Gitters, dem so genannten „Phonon“, schien die Paarbildung der Elektronen zu beeinflussen. Das allerdings galt bisher zwar als möglicher Mechanismus für die „normalen“ Tieftemperatur-Supraleiter, nicht aber für die Hochtemperatur-Variante.

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Hoch- und Tieftemperatur-Supraleiter ähnlicher als gedacht

Nach Ansicht der Forscher deuten ihre Beobachtungen jedoch daraufhin, dass beide Supraleitertypen offenbar zumindest teilweise auf einen ähnlichen Mechanismus zurückgehen. „Das war ein gewaltiger Schock“, beschreibt Davis seine erste Reaktion. „Wir haben gezeigt, dass wir die Elektron-Phonon-Interaktion nicht ignorieren können. Wir können zwar noch nicht beweisen, dass sie an der Paarbildung beteiligt ist, aber wir haben belegt, dass man sie nicht ausschließen kann.“

In weiteren Experimenten fanden die Wissenschaftler ähnliche Wechselwirkungen auch dann, wenn sie Varianten des zuvor getesteten Cuprats einsetzten. Bei diesen wurden einzelne Atome anderer Elemente in das Kristallgitter eingebaut und veränderten so die Magnetfelder im Gitter. Nutzten sie jedoch ein anderes Sauerstoffisotop um das Cuprat herzustellen, eines mit einem Atomgewicht von 18 statt 16, veränderte sich das Ergebnis sehr wohl. Dies weist darauf hin, so die Forscher, dass nicht magnetische Effekte, sondern die Vibrationen der Atome hier eine wichtige Rolle spielen. „Ein direkter Einfluss der Gittervibrationsenergie auf Atomebene auf die Energie der Elektronenpaarung deutet sich an“, so das Fazit der Physiker.

(Cornell University, 03.08.2006 – NPO)

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