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Neurobiologie

Schule benachteiligt „Eulen“

Das deutsche Schulsystem ist auf Frühaufsteher zugeschnitten

Jugendliche nach der Pubertät und junge Erwachsene gehören mehrheitlich zu den „Eulen“ – den durch ihre innere Uhr determinierten Langschläfern. Welchen Einfluss dies auf die schulischen Leistungen haben kann, hat ein Forscher der Universität Leipzig jetzt untersucht.

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Sommerferien. Das heißt für die meisten Schüler vor allem eines: Ausschlafen! Eltern und Großeltern registrieren das mit Kopfschütteln oder bestenfalls mit aus Erinnerungen gespeistem Wohlwollen. Tiefgreifendes Verständnis können die Schlafmützen jedoch bei der Wissenschaft erwarten. Professor Christoph Randler vom Institut für Biologie der Universität Leipzig hat die Verteilung von „Eulen“ und „Lerchen“ – also durch ihre Innere Uhr determinierte Früh- oder Spätaufsteher – bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen untersucht. Seine Ergebnisse wurden in der Zeitschrift "Biological Rhythm Research" veröffentlicht.

Junge Erwachsene mehrheitlich „Eulen“

Um herauszubekommen, ob die Befragten eher "Eulen", also Abendtypen, oder die als "Lerchen" bezeichnete Frühaufsteher sind, wurden für die Analyse Studenten nach ihren ganz persönlichen Erfahrungen mit Schlafen und Wachsein, Munterkeit und Müdigkeit befragt. So mussten sie angeben, wann sie bei absolut freier Zeiteinteilung aufstehen und zu Bett gehen würden oder an welchen Stunden im Laufe des Tages sie sich geistig oder körperlich besonders fit fühlen. Andere Fragen galten dem Erwachen und Aufstehen, dem Appetit am Morgen oder dem abendlichem Leistungsvermögen.

"Diese Untersuchung ist eine der wenigen", so Randler "die das Problem nicht soziologisch oder psychologisch, sondern biologisch beleuchtet. Ihr Ergebnis ist die Feststellung, dass die Mehrzahl der Menschen ab der Pubertät zu den Langschläfern zählt. Bis dahin und etwa ab dem 30. Lebensjahr, das erbrachten andere Studien, ist der Anteil der Frühaufsteher noch beziehungsweise wieder größer. Es hat also auch biologische, und hier vorrangig hormonelle, Ursachen, dass Jugendliche früh schwerer in Gang kommen als der Rest der Familie oder ihre Lehrer."

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Schulische Leistungen beeinflusst?

Doch Randler wollte mehr wissen: Inwieweit bestehen zwischen den schulischen Leistungen und dem Bio-Rhythmus junger Leute Zusammenhänge. Hierzu befragte er dieselben Studenten auch nach ihren Abitur-Noten. Dar Ergebnis war eindeutig: die bekennenden Frühaufsteher hatten deutlich bessere Zeugnisse in der Tasche. "Das heißt allerdings keinesfalls, das die intelligenter sind, systematischer oder disziplinierte gelernt haben", interpretiert der Biologe. "Es heißt nur, dass diese jungen Leute das Glück hatten, in jenen Stunden des Tages herausgefordert zu werden, in denen sie munter waren. Die Mehrzahl der Schüler und Studenten ist da einfach noch nicht wach. Wer morgens halb acht in eine zehnte Klasse oder einen Hörsaal schaut, dem tut sich nämlich ein schreckliches Bild auf."

Nun wird natürlich eingewandt, dass die morgens Müden doch einfach abends früher ins Bett gehen sollten. "Aber das funktioniert nur begrenzt", verteidigt Randler die Betroffenen. "Da können die einfach noch nicht einschlafen. Und den Schlaf zu erzwingen, funktioniert noch weniger als das Wachsein irgendwie aufrecht zu erhalten. Hinzu kommt, das die gegen ihre innere Uhr Lebenden kaum Appetit auf ein Frühstück haben und daraus weitere Defizite resultieren."

Schulbeginn zu früh

Das Fazit seiner Studie bestätigt das Ergebnis vorhergehender Untersuchungen: Der Schulbeginn liegt für die Durchschnittsschüler schlichtweg zu früh. Das Ganze nimmt gesellschaftliche Dimensionen an, weil sich die Abiturienten mit ihrem Zeugnis an den Universitäten bewerben und die Abend-Typen es auf der Basis ihrer Noten-Durchschnitte dort schwer haben, angestrebte Studienplätze zu bekommen. Aber so gern die internationale Fachzeitschrift Randlers Analyse gedruckt hat, weniger interessiert zeigten sich bisher diejenigen in den Kultusministerien die über den Unterrichtsstart entscheiden.

Derzeit arbeitet das Team um Prof. Randler an ähnlichen Studien sowie vor allem an der Weiterentwicklung von Fragebögen, mit denen man die innere Uhr des Menschen beobachten kann.

(Universität Leipzig, 02.08.2006 – NPO)

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