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Physik

Elektronen: Spin-Signale erstmals nutzbar

Neue Erkenntnisse zur Eigendrehung von Elektronen

Im Rennen um die erste sinnvolle Ausnutzung der Eigendrehung von Elektronen (Spin) ist es Bochumer Physikern gelungen, neue Halbleiter herzustellen, in denen sich in einer Schicht viele kleine Quantenpunkte selbst organisiert ausbilden. In jedem der etwa 20 Nanometer winzigen Quantenpunkte sitzt genau ein Elektron. Deren Spinausrichtung lässt sich kontrollieren, manipulieren und auslesen. Messungen an der Universität Dortmund haben nun gezeigt, dass bei optischer Anregung von Gruppen dieser Quantenpunkte die Spinausrichtung lange anhält und somit technisch nutzbar wird. Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science.

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Zurzeit funktionieren alle elektronischen Geräte von der Armbanduhr bis zum Computer durch Fließen von elektrischen Ladungen, den Elektronen. "Aber Elektronen haben auch andere Eigenschaften: Genau wie Tomaten nicht nur eine Masse haben, sondern auch Farbe, Geschmack und Schwung zum Klatschen gegen unliebsame Zeitgenossen, besitzen Elektronen neben Ladung und Schwung beim Stromfluss den 'Spin'", erklärt Professor Andreas Wieck von der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Das Elektron rotiert, so wie ein angeschnitten gespielter Fuß- oder Tennisball. Nach den Regeln der Quantenmechanik kann sich ein Elektron um eine Achse nur entweder rechtsherum oder linksherum drehen.

"Da das Elektron Ladung trägt, gibt es darum einen kleinen Ringstrom, der ein Elektron wie einen kleinen Magneten aussehen lässt, der mal mit dem Nordpol nach oben, mal mit dem Nordpol nach unten ausgerichtet ist", beschreibt Wieck. Diese magnetische Eigenschaft soll in künftigen elektronischen Bauelementen wie Transistoren zusätzlich zur Ladungseigenschaft ausgenutzt werden, daher spricht man von der "Spintronic": "Es ist so ähnlich, als ob man seit Jahrzehnten einen Schraubendreher nur zum Hebeln genutzt hat und jetzt feststellt, dass man mit ihm auch Schrauben drehen kann", erläutert Wieck die Tragweite der Entwicklungen.

Halbleiterrezepte sind der Schlüssel zum Spin

Im weltweiten Wettlauf um die erste sinnvolle Ausnutzung dieses Spintransportes sind vor allem die Material-Zusammensetzungen der Halbleiter und ihre Herstellungsrezepturen von Interesse, denn nicht in allen Halbleitern lassen sich die Spins durch Magneten ausrichten.

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Auch wenn sie ihre Ausrichtung zu schnell wieder verlieren oder sie sich technologisch nicht gut als Datenverarbeitungs-Signal (bits "0" und "1" in Computern) nutzen lässt, eignet sich der Halbleiter nicht. "Die Forscher treibt bei der Entwicklung neuer Halbleiter die Hoffnung um, durch Kombinationen von einzelnen Spins weit komplexere Signale als "0" und "1" verarbeiten zu können, was man als 'Quantum Bits' (qubits) in wesentlich leistungsfähigeren Computern ausnutzen könnte", erklärt Wieck.

Spin hält lange vor

Die Forscher am Lehrstuhl für Angewandte Festkörperphysik der RUB haben nun höchstqualitative (reine) Halbleiter hergestellt, die selbstorganisiert in einer Schicht viele kleine Quantenpunkte ausbilden, wobei in jedem etwa 20 Nanometer kleinen Quantenpunkt genau ein Elektron sitzt. Deren Spinausrichtung ist einfacher zu kontrollieren, zu manipulieren und auszulesen, als wenn viele Elektronen dicht beieinander liegen würden.

"Natürlich ist die Versuchung für Forscher groß, genau einen solchen Quantenpunkt mit einem Elektron als Informationssignal zu verwenden", so Wieck. "Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass für die technische Ausnutzung das Signal eines Elektrons viel zu klein ist." Als Konsequenz haben Kollegen der Uni Dortmund um Professor Manfred Bayer an speziell in Bochum hergestellten Proben jeweils viele Quantenpunkte gemeinsam optisch angeregt. Dabei konnten sie feststellen, dass sich deren Spinausrichtungen besonders lange halten – einige Millionstelsekunden – und damit technisch nutzbar sind.

Erstmals nutzbare Spin-Signale

Dieses Ergebnis ist nach Angaben der Forscher beeindruckend, denn Elektronen stoßen in Halbleitern etwa alle Picosekunde (10-12s) an irgendwelche Störungen. Wenn sich der Spin eine Millionstel Sekunde hält, finden in dieser Zeit etwa eine Million Stöße statt. "Das ist so, wie wenn man einen Läufer um seine senkrechte Achse rotieren lässt und ihn in einen Wald schickt, in dem er mit einer Million Bäumen zusammenstößt, und beim Herauskommen aus dem Wald dreht er sich immer noch um die ursprüngliche Achse, hat also seinen "Spin" noch nicht vergessen", vergleicht Wieck. "Eine Millionstel Sekunde erscheint uns kurz, aber wenn wir bedenken, dass heutige Computer mit GHz-Takt in dieser Zeit bereits Tausende von Systemtakten ausführen können, ist dies ausreichend lang."

Durch Pulsen der Signale lassen sich diese Zustände weiter ausdehnen. Mit dieser Technik stehen erstmals technisch verwertbare Spin-Signale zur Verfügung, die die Spintronic in greifbare Nähe rücken.

(idw – Ruhr-Universität Bochum, 24.07.2006 – DLO)

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