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Neurobiologie

„Pinkeln“ für die Wissenschaft

Forscher schauen Gehirn bei Kontrolle des Wasserlassens zu

fMRT-Ergebnisse der "Pinkel-Studie" © Universität Göttingen

Mithilfe moderner bisgebender Verfahren schauen Neuroforscher immer häufiger dem Gehirn bei der Arbeit zu. Jetzt beobachteten sie die Aktivität unseres Denkorgans bei einen mehr als privaten körperlichen Akt – dem Wasserlassen. Dank der Magnetresonanztomographie waren die Forscher quasi „live“ dabei.

Das „Pinkeln“, aber auch das Unterdrücken des Harnfranges, sind zum Teil willkürliche, vom Gehirn gesteuerte Prozesse. Welche Regionen des Gehirns dabei aktiv sind, hat jetzt eine Göttinger Forschergruppe mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) "live" beobachtet. Die Untersuchungen bieten die Grundlage für genauere Analyse neurologisch erkrankter Personen mit Blasenschwäche. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift NeuroImage erschienen.

Pinkeln im Tomographen

Die Wissenschaftler der Universität Göttingen und und des Max- Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen, haben die Gehirnaktivität von elf gesunden Frauen bei der willkürlichen Kontrolle ihres Harndrangs untersucht. Hierzu legten sich die Frauen mit voller Harnblase in den Magnetresonanz-Tomografen und erhielten im kurzen Wechsel schriftliche Anweisungen, Harn zu lassen beziehungsweise ihn zurückzuhalten. "Die genauen Kenntnisse über bewusste und unbewusste Vorgänge im Gehirn beim Harnlassen dienen uns jetzt als Grundlage für die Untersuchung von Patienten mit Blasenentleerungsstörungen", sagt Dr. Sandra Seseke aus der Abteilung Urologie des Bereichs Humanmedizin der Universität Göttingen.

Hirnstamm entscheidend beteiligt

Die auffälligsten Ergebnisse der Göttinger Forscher waren räumlich klar umgrenzte Aktivitäten im "Zentralen Höhlengrau" (PAG) und in der so genannten "Brücke" (Pons). Beide Regionen liegen im Hirnstamm, einem evolutionär sehr alten Teil des Gehirns. "Uns ist es erstmals gelungen, mit der nicht-invasiven fMRT-Methode das komplexe Netzwerk der am Harnlassen beteiligten Hirnregionen, vor allem auch die wichtigen Regionen im Hirnstamm, zu identifizieren", sagt Dr. Jürgen Baudewig aus der Forschungsgruppe MR-Forschung in der Neurologie und Psychiatrie.

Hilfe bei Inkontinenz

Den Harn erfolgreich zu speichern und das Harnlassen zu steuern, erfordert die filigrane Zusammenarbeit von unwillkürlich und willkürlich steuerbaren Abläufen im Gehirn und Körper. Das komplexe System kann relativ leicht aus dem Gleichgewicht geraten und zu ungewolltem Harnverlust (Inkontinenz) oder erschwerter Blasenentleerung führen. Allein in Deutschland wird die Zahl der Personen mit Blasenschwäche auf über zehn Millionen geschätzt. Die Dunkelziffer ist hoch, denn viele Betroffene schämen sich ihrer "Schwäche" und vermeiden den Arztbesuch. Die Göttinger Forschungen könnten nun dazu beitragen, die Blasenschwäche künftig besser therapieren zu können.

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(Universität Göttingen, 17.07.2006 – NPO)

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